Uii, da hat es unsere
Kanzlerin doch tatsächlich noch vor der bevorstehenden Bundestagswahl geschafft
einen Shitstorm gegen sich heraufzubeschwören. Und alles mit nur einem kleinen
Satz: "Das Internet ist für uns alle Neuland." Aber lag Sie mit
dieser Aussage wirklich so sehr daneben? Denn sind nicht schon allein die
kindischen Reaktionen der Netzgemeinde im Grunde bestes Indiz für die brutale
Wahrheit, die in diesen nun schon fast legendären Worten steckt?
Jetzt ist es natürlich
nicht von der Hand zu weisen, dass das Internet an sich nichts wirklich Neues
mehr ist. Ganz im Gegenteil. Seit der Online-Stellung der ersten Seite durch
Tim Berners-Lee 1989 ist fast ein viertel Jahrhundert vergangen. Und wir alle nutzen
es, seit mehr als zehn Jahren, Tag für Tag immer intensiver. Wenn wir ehrlich
sind, können wir uns kaum noch daran erinnern, wie wir uns damals so ganz ohne WWW
durch die Welt geschlagen haben... kleiner Tipp: Stadtplan, Lexikon, Gelbe
Seiten - alles Begriffe die schon fast der Vergangenheit angehören. Und weil
wir alle immer bequemer werden und uns nichts mehr merken können oder wollen,
tragen wir unser Internet heutzutage ständig griffbereit mit uns herum. Keine
Frage, wir haben inzwischen gelernt das Netz für uns zu nutzen, aber können wir
auch wirklich schon damit umgehen? Dazu muss man eigentlich nur einen kurzen
Blick in dieses ominöse Neuland werfen und die Frage beantwortet sich von
selbst. Werfen wir mal einen ersten Blick auf das Rechercheverhalten der
meisten. Das sieht doch wie folgt aus: Frage - Google - Wikipedia - fertig -
keine Nachfrage. Wenn Wikipedia, was sich inzwischen in vielen Fällen
tatsächlich schon zu einer relativ verlässlichen Quelle entwickelt hat, keinen
Treffer hervorbringt, wird stattdessen halt der erste von der Suchmaschine
vorgeschlagenen Link gewählt und die daraus hervorgehende Antwort gedankenlos
hingenommen. Das im Netz aber jeder schreiben kann, was er will - im Grunde genauso
wie ich hier - wird gnadenlos ignoriert. Dabei sollten wir uns aber nicht zu
sehr darauf verlassen, dass sich jeder Schreiber an das achte Gebot - Du sollst
nicht lügen - hält, sondern besser immer den Artikel 19 der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte - Meinungsfreiheit - im Hinterkopf haben. Womit
wir schon direkt beim zweiten Punkt wären. Hierzu werfen wir ganz bewusst nur
einen kurzen Blick auf die verschiedenen Kommentarfunktionen im Netz, zum
Beispiel auf die Seiten der sogenannten Nachrichtenanbieter Stern, Spiegel,
Focus, Welt, Bild, Kicker, usw. Denn einige Schreiber übersehen irgendwie, bei
dem was sie dort so von sich geben, dass der Artikel 5 des Grundgesetzes auch
noch einen zweiten Absatz hat, der die Meinungsfreiheit etwas reguliert.
Überhaupt nicht mehr aus dem Kopfschütteln raus kommt man, wenn man
Diskussionen und Kommentare in den sogenannten "sozialen" Netzwerken
liest. Da ist dann doch oft eher die englische Begrifflichkeit "asocial Network"
zutreffend. Mal abgesehen von Niveaulosigkeiten, die sich ja noch mit
überschaubarem Intellekt begründen lassen, ist die Masse an Beschimpfungen und
Beleidigungen einfach unglaublich. Im echten Leben gäbe es für so etwas einfach
nur auf die Fresse. Im Netz müssen wir das mehr oder weniger hinnehmen und für
unser eigenes Wohlbefinden besser drüber stehen. Meinungsfreiheit heißt, man
darf, nicht man muss, zu allem etwas sagen!
Kommen wir nun noch
schnell direkt zu Facebook. Irgendwie haben es Zuckerberg und Co. geschafft,
die exhibitionistische Ader tief in unserem Innersten zu wecken und viele von
uns dazu gebracht, unser ganzes Leben für alle Welt offen zu legen. Für die
Erstellung solcher Profile musste sich die Stasi früher ziemlich ins Zeug legen
und Tagebücher lagen angeblich auch recht selten so offen herum. Aber im
Endeffekt kann ja jeder für sich entscheiden, was er dort veröffentlicht. Nur
vorher nachdenken hilft halt manchmal. Sascha Lobo hat kürzlich zum Thema
Netzwerke sinngemäß gesagt: Netzwerke sind etwas Tolles und sinnvolles, wenn
sich die richtigen Menschen vernetzen. Vernetzen sich die Falschen, ist es
nutzlos.
Also ihr Shitstormer
und #Neuland-Spötter, wenn ihr jetzt mal kurz in euch geht, ... müsst ihr
vielleicht einsehen, für uns alle, auch für euch, "ist das Internet jeden
Tag Neuland - zum Glück" (nochmal Sascha Lobo) und da es so viele
Möglichkeiten bietet und sich wahnsinnig rasant entwickelt, schreit es förmlich
nach klaren Regeln und deren Einhaltung. Das bedeutet natürlich nicht, dass
alle User unter Generalverdacht gestellt und alles überwacht werden darf, weder
durch irgendwelche Staaten noch durch Onlinedienst-Anbieter, noch durch
sonst irgendwen. Was privat ist, hat gefälligst auch privat zu bleiben.
Denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es jemandem
wirklich egal ist, wenn er von vorn bis hinten ausspioniert, oder dauerhaft
diffamiert wird. Und vielleicht wäre es ganz hilfreich, liebe Politik, nun
endlich mal zu handeln und dabei nicht Edward Snowden zum Sündenbock zu machen,
sondern eher die von ihm Angeprangerten. Eventuell sollte man auch langsam
davon Abstand nehmen das Internet - von politischer Seite her - weiterhin so
konsequent konservativ-merkelesk zu verteufeln und als Bedrohung zu sehen. Zum
Beweis (und der Vollständigkeit halber) hier noch der komplette Satz der
Kanzlerin: "Das Internet ist für uns alle Neuland und es ermöglicht
auch Feinden und Gegnern unserer demokratischen Grundordnung [aktuell kommen
uns da u.a. USA, Großbritannien in den Sinn], natürlich mit völlig neuen
Möglichkeiten und völlig neuen Herangehensweisen, unsere Art zu leben in Gefahr
zu bringen."
Bleibt uns nun also erst
mal nur die Hoffnung, dass die Politik tatsächlich in der Lage ist, das Netz im
Sinne der Nutzer zu schützen. Allerdings ist es ein wenig fraglich, ob
ausgerechnet die dafür Verantwortlichen aus der Generation Ü55, in jeglicher
Hinsicht, die richtigen Köpfe dafür sind. Die Verweigerungshaltung einiger
dieser Herrschaften sollte uns Nutzern diesbezüglich genug Aufforderung zu
erhöhter Wachsamkeit sein!