Samstag, 20. Juli 2013

Alles nicht der Rede wert

Die gute Nachricht vornweg: Es ist endlich richtig Sommer! Das Problem dabei: Während wir alle entspannt im Park, im Garten, am See, im Biergarten oder am Strand liegen, verzapfen unsere Regierungspolitiker einen Bockmist nach dem anderen und verkaufen uns obendrein noch für vollkommen verblödet. Doch damit sind sie nicht allein. Die versammelte schlagzeilengeile Medienlandschaft sitzt in ihrem selbst geschaufelten Sommerloch und kackt uns von oben bis unten mit geistigem Mainstreamdünnschiss zu. Beispiele gefällig? Here we go!
Da gibt es einen Berliner Gangster-Rapper - der ist an sich schon gar nicht der Rede wert -, aber der hat da jetzt einen Film gedreht und ein neues Album produziert. Und da hat er sich gedacht, ich stell auf Youtube mal ein Musikvideo ein, in dem ich alles und jeden denunziere und mit kruden Gewaltfantasien dahinmetzel, nur um mal wieder in die Schlagzeilen zu kommen. Dafür Glückwunsch, dass hat funktioniert. Doch anstatt diesen leicht zu durchschauenden Plan des geistigen Dünnbrettbohrers einfach scheitern zu lassen, geben nicht nur die Boulevardpresse, sondern auch vermeintlich seriöse Nachrichtensender ihm die mediale Aufmerksamkeit, die er nun beim besten Willen nicht verdient hat. Jetzt kann man Dummheit leider nicht verbieten, aber man muss sie halt auch nicht noch zusätzlich verbreiten. Besonders erschreckend an der ganzen Geschichte ist aber eigentlich die Tatsache, dass die Anzeigen zweier, in dem Musikvideo direkt namentlich genannter und mit Hasstiraden belegter Politiker, nach der Prüfung durch die Anwaltschaften (!) zurückgewiesen wurden und die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften ernsthaft erst prüfen musste, ob dieses Video gegen diverse Vorschriften verstößt. Mit dem Ergebnis, dass sich dieses musikalische Meisterwerk zwar nun auf dem Index befindet, aber für Schwachmaten, die bereits die Volljährigkeit erlangt haben, weiterhin verfügbar ist. Aber was gab es da zu prüfen? Die Frage war doch eher, welche Konsequenzen muss das für den "Künstler" haben. Der Text war nicht jugendgefährdend, der Text beinhaltet, ohne ins Detail gehen zu wollen, klare Beleidigungen, Denunzierungen und Gewalt-, ja im Grunde Mordandrohungen. Immerhin hat die Onlinevideoplattform rasch reagiert und das Video komplett gesperrt. Auch Alice Schwarzer hat sich zu einer Stellungnahme herabgelassen, nachzulesen auf ihrer Homepage. So und jetzt Reden wir nicht mehr darüber...
Das worüber im Moment ganz Deutschland redet ist die die NSA-Prism-Spionage-Affäre. Ganz Deutschland? Nein! Eine kleine unbeugsame Gruppe von Politikern, besser bekannt als Regierung, hört nicht auf, die Wichtigkeit des Themas zu ignorieren. Da ist unser Bundesinnenminister, der Friedrich Hans-Peter, und der ist mit großen Ambitionen zu unseren Freunden mit den großen Ohren in die USA gereist, um dort mal nachzufragen, was die denn so alles abhören, mitlesen, speichern und auswerten und um denen zu sagen, dass wir das alle gar nicht so richtig dufte finden, was ihr Geheimdienst da so treibt. Drüben angekommen, darf er dann auch mit der Sicherheitsberaterin sprechen - die Sekretärin vom NSA-Chef hatte wahrscheinlich gerade keine Zeit - und die erklärt ihm dann, dass das doch alles gar nicht so schlimm sei, nur Metadaten gespeichert würden und ja alles der Sicherheit dient. Immerhin wurden dadurch fünfzig! Terroranschläge verhindert, fünf davon in Deutschland... genau... und die selben Experten haben vor einigen Jahren ja auch schon Massenvernichtungswaffen im Irak entdeckt. Damit wird dann der deutsche Innenminister abgespeist und wieder gen Heimat geschickt, wo er dann wie ein begossener Pudel (ach nee, die Frisur sieht ja immer so aus) uns allen erklärt, dass Prism also im Grunde was Gutes und das ganze Theater ja eigentlich nicht der Rede wert ist. Komplett am Arsch vorbei geht die ganze Geschichte der Frau Bundeskanzlerin, die beantwortet Fragen zur Thematik stoisch mit: Wir haben davon nichts gewusst. Und jetzt müssen wir das analysieren und prüfen. Das machen Experten und ich bin dafür nicht verantwortlich. Und wenn die Experten das geprüft haben, dann müssen wir das auswerten und prüfen ob das verhältnismäßig ist. Bla, Bla, Bla... auf gut deutsch: Is' mir doch egal! Das ist im Übrigen die Taktik der Frau Merkel, Fragen einfach nicht beantworten, schön drumherum reden und ja nichts konkretes sagen. Nachzulesen und hören in diverse Interviews der letzten "Zeit" (empfehlenswert hierzu: http://www.stefan-niggemeier.de/blog/was-angela-merkel-alles-nicht-weiss-und-deshalb-auch-nicht-bewerten-wird/) oder auf der kürzlich abgehaltenen Bundespressekonferenz. Die sich kurz und schmerzlos mit den Worten eines Westernhagensong zusammenfassen lässt: Keine Ahnung, keine Meinung, kein Konzept, keine Lust um aufzustehn, Ginger Rogers hat mit Fred Astaire gesteppt und ich kann übers Wasser geh’n. Es geht mir gut... Highlight dieses neunzig minütigen Frage-Antwortvermeidungs-Spielchens war dann bezeichnender Weise die Aussage: "Ich erhole mich während der Arbeitszeit". Prima! Die Bildzeitung tituliert diese anderthalb Stunden pure Zeitverschwendung dann auch noch als Wahlkampf. Aber der interessiert weder die Kanzlerin noch sonst jemanden aus der aktuellen Regierung. Die mauscheln alle weiter heimlich still und leise vor sich hin. Frei nach dem Motto, wer nichts macht, macht nix verkehrt. Man wartet ab bis die politischen Gegner ein Thema aufschnappen und es schnappt es denen, wenn es die Wähler tatsächlich zu interessieren scheint, kurzer Hand einfach weg. Bisher ist der Wahlkampf also auch nicht der Rede wert! 
Gleiches gilt irgendwie auch für die aktuell stattfindenden Sportereignisse. Überraschung: Es ist Frauen Fußball Europameisterschaft und man erwartet - in diesem Fall hauptsächlich die mediale Öffentlichkeit - von der Nationalmannschaft den Titel. So wird dann ein Unentschieden gegen Holland zur Vollkatastrophe und ein Drei zu Null Sieg gegen Island zur fantastischen Leistung. Aus fernseh-technischer Sicht hofft man jedoch stark, dass Deutschland das Halbfinale nicht erreicht, denn da findet zeitgleich der Audi-Cup statt, ein gaaaanz wichtiges Vorbereitungsturnier des grandiosen FC Bayern München mit seinem neuen Trainer, dem Messias Pep. Das ein gewisser Josep Guardiola in Wirklichkeit kein Heiliger ist und eine Dopingvergangenheit hat, darüber redet man lieber nicht. Doping, darüber redet man im Moment auch bei der Tour de France nicht. Und man möchte für diese Sportart auch hoffen, dass es möglichst so bleibt. Denn da dominiert ein in Kenia geborener weißer Brite - God save the Queen - nach Belieben und lässt alle, auch die schon einmal des Dopings überführten Kontrahenten, meilenweit hinter sich. Was seine Unschuldsbekundungen am Ende wert sein werden, bleibt abzuwarten. Meilenweit hinter sich lies in letzter Zeit auch Usain Bolt in schöner Regelmäßigkeit seine Widersacher im Sprint über 100 Meter. Und all jene, die ihm auch nur irgendwie Nahe gekommen sind, wurden vor Kurzem, oder schon vor Längerem allesamt positiv getestet. Alle bis auf Usain Bolt. Aber überrascht das Ergebnis beim Anblick der unnatürlich muskelbepackten Athleten ernsthaft noch? Und ist es am Ende wirklich wichtig oder alles gar nicht der Rede wert?
"Nicht der Rede wert", das ist auch eine nette Umschreibung für den Posten der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, der Ilse Aigner. Die sagt bei Problemfragen immer nur: "Dafür bin ich nicht zuständig. Das ist Ländersache! oder Europasache!". Und so wundert es eigentlich nicht, dass sie im Talk mit Lanz, auf dessen schleimiges "Sie machen das übrigens toll" nur ein ungläubiges "Was?" hervorbringt. Ansonsten hat sie schon viel von der Merkel gelernt. Zum Beispiel wie man nicht auf Fragen antwortet, Verantwortung weiter schiebt und vor allem, wie man keine Meinung hat. Einziger Unterschied: die Ilse grinst dabei immer so herrlich grenzdebil. Auch als man ihr einen Clip aus der ZDF Heute-Show zeigt, in dem ihre Unnützlichkeit gnadenlos aufgezeigt wird. Alle Anwesenden erkennen das da gerade die traurige Wahrheit wiedergegeben wird und schauen Frau Aigner mitleidig beschämt an. Aber die lacht lauthals los, nur um im nächsten Satz ernsthaft genau das eben aufgezeigte zu wiederholen. Und diesmal ist es wirklich komisch. Aber das mit der Ilse ist hoffentlich bald vorbei, denn die will zurück nach Bayern und ist dann, so Gott will, auch nicht mehr der Rede wert.
Aber zum Glück ist ja jetzt Sommer. Es ist warm und die Sonne scheint. Und Kate und William bekommen demnächst einen Thronfolger oder eine Thronfolgerin und dann sind all die Nichtigkeiten - versprochen! - auch nicht mehr der Rede wert!

Samstag, 13. Juli 2013

Langdons vierte Schnitzeljagd

oder Dan Browns Inferno

Mattschwarzer Umschlag, eine ganz in rot gehaltene Illustration, am oberen Rand der Autorenname in weißen Versalien und darunter der Titel in den charakteristischen großen, blutroten Lettern. So zumindest sahen die ersten drei Brown'chen Langdon-Titel aus. Diesmal aber war ein besonders kreativer Grafiker am Werk und so passt der vierte Teil der Langdon-Trilogie im Buchregal so gut zu den anderen, wie Bushido auf den Christopher Street Day (wenn der das hier liest, widmet er mir bestimmt auch einen "Song" - aber der kann vermutlich gar nicht lesen). Aber genug der Äußerlichkeiten. Bei einem Buch ist ja vor allem das zwischen den beiden Deckeln entscheidend. 

 
Am 14. Mai war es also soweit, der neue Bestseller von Dan Brown erschien und ich habe mich direkt auf den Weg in die nächste kleine Buchhandlung - unterstützt den Mittelstand - gemacht, um den Wälzer käuflich zu erwerben. Auch wenn die Lektüre von Dan Brown gelegentlich, und nicht ganz zu unrecht, mit dem Verzehr von Fast Food verglichen wird, so weiß man doch wenigstens von vornherein, woran man ist: leichte Lektüre und eine 1a Verschwörungstheorie. Das erste Abenteuer des Harvard-Professors - Illuminati - führte ihn erst nach, und anschließend kreuz und quer durch Rom, um direkt vor Ort die katholische Kirche vor dem Untergang zu retten. In Sakrileg - The Da Vinci Code jagt der Symbologe auf den Spuren des Renaissance-Künstlers durch Paris und London und es gelingt ihm ein zweites Mal die Kirche vor der Vernichtung zu bewahren. Nachdem der dritte Teil Das verlorene Symbol dann in der US-amerikanischen Hauptstadt Washington D.C. spielte und hier die Freimaurer "abgearbeitet" wurden, ging es in Inferno für Langdon zurück nach Italien, nach Florenz und Venedig und schließlich nach Istanbul. Zu entschlüsseln gilt es diesmal die Werke des mittelalterlichen Dichters und Philosophen Dante Alighieri und dessen Göttlicher Komödie, deren erster Teil Inferno auch als Titel herhalten musste. Inferno, übersetzt aus dem italienischen, bezeichnet die Hölle. Aber ganz so schlimm ist das Buch dann doch nicht. Zumindest wenn man sich durch die ersten zähen Kapitel gekämpft hat und so langsam etwas Struktur in die Schnitzeljagd kommt. Natürlich darf auch dieses Mal die attraktive junge Begleiterin an Langdons Seite nicht fehlen, ebenso wie der Schurke, der die Welt zerstören möchte. Allerdings kommt es nie zu einer wirklichen Konfrontation mit dem Schweizer Milliardär und Genforscher Bertrand Zobrist, da dieser quasi noch vor Beginn der eigentlichen Geschichte Suizid begeht. Außerdem in die Geschichte involviert sind die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, und eine zwiespältige Untergrundorganisation bestehend aus Geheimagenten und Söldnern.
Ganz Dan Brown typisch hangelt sich die Story gewohnt flüssig und spannend von Cliffhanger zu Cliffhanger, von einer unerwarteten Wendung zur nächsten und bietet dabei jede Menge Informationen zu den Werken von Dante Alighieri, den Florentiner Bauwerken, den darin versteckten Kunstwerken, sowie den Sehenswürdigkeiten und der Historie der Lagunenstadt Venedig. Das zentrale Thema der Geschichte und damit auch die Ursache für den gesamten Konflikt, ist jedoch die Gefahr der Überbevölkerung und den damit einhergehenden Problemen in der Welt. Die diesbezüglich verarbeitet Fakten scheinen, ebenso wie die zu Kunst und Geschichte, durchaus der Wahrheit zu entsprechen und regen den Leser zumindest zum nachdenken an. Aber zu der Thematik schreibe ich vielleicht später noch einmal etwas... (Achtung: Cliffhanger - kann ich nämlich auch!)
Trotz der unzähligen zu lösenden Rätsel, dramatischen Wendungen, Verfolgungsjagden, Stuntszenen und Ortswechsel hat die Geschichte ein Problem, dass heißt eigentlich sogar zwei! Erstens: die Entschlüsselung des viel-stufigen Rätsels führt die Protagonisten am Ende zwar zum Ort des Geschehens, nach Istanbul, hilft aber nicht, das zu verhindern, was alle Gegenspieler - die gesamten 680 Seiten lang - irgendwie versuchen aufzuhalten. Und wie sich herausstellt war das, frei nach dem Motto "Der Weg ist das Ziel", auch vom Bösewicht von Anfang an so geplant. Aber wozu dann das Rätsel? Und Zweitens: durch die unsäglich vielen Wendungen, wer sind die Guten?, wer sind die Bösen?, scheint der Autor schlussendlich selbst den Überblick verloren zu haben und der Einfachheit halber stehen am Ende alle, die sich über hundert Kapitel lang gejagt, beschossen, schikaniert und verfolgt haben, auf der selben Seite zusammen. Ist aber im Endeffekt eigentlich auch nicht wirklich schlimm, denn die Geschichte bietet auch zwei, gut versteckte, kleine Highlights. In Kapitel 86 schießt der Autor verbal gegen verschiedene Geheimdienste und Regierungen und deren Täuschungsmanöver und Lügengeschichten zur Rechtfertigung des eigenen Handelns und bezieht zum Beispiel klar Stellung gegen den Irakkrieg. Nahezu gleichzeitig nimmt er mit einem Augenzwinkern Verschwörungstheorien auf die Schippe und damit auch die Grundlage seiner eigenen Bücher. Einen richtigen Anflug von Selbstironie hatte Dan Brown allerdings in Kapitel 60, als er und sein Held Robert Langdon, der ja ebenfalls Autor ist, förmlich zu einer Person verschmelzen und Brown die ständigen Verschiebungen des Erscheinungstermins von The Lost Symbol geschickt verwurstet. Langdon bittet seinen Verleger um die Bereitstellung eines Privatflugzeugs, woraufhin dieser eiskalt antwortet: "Okay, lassen Sie mich das anders formulieren. Wir haben keine Privatflugzeuge für Autoren, die dicke Bücher über Religionsgeschichte schreiben. Wenn Sie Fifty Shades of Iconography schreiben wollen, können wir darüber reden." Doch Langdon gibt nicht auf: "egal, was der Flug kostet, ich werde es zurückzahlen. Sie haben mein Wort darauf. Habe ich je ein Versprechen gebrochen?" Darauf die Antwort des Verlegers: "Abgesehen davon, dass du deinen letzten Abgabetermin um drei Jahre überzogen hast?" Zugegeben ein Gag, der sich nur den Langdon-Fans erschließt, dann aber umso witziger ist.
Fazit: Dan Brown bleibt seinem Prinzip treu und liefert mit Inferno erneut einen lesbaren Action-Thriller und leichte unterhaltsame Lektüre, gespickt mit Kunst- und Geschichtsdetails, ab. Die Story selbst ist in meinen Augen gelungener als im Vorgängerband, reicht aber nicht an Illuminati (abgesehen vom katastrophal übertriebenen Ende) und Sakrileg (meinem persönlichen Favoriten) heran. Und wenn man Tom Hanks noch einmal überreden kann, kann auch ein weiterer Blockbuster daraus werden. Genug Potential für Stunt- und Actionszenen, sowie Spielraum zum Einkürzen der Story auf neunzig Minuten, ist durchaus vorhanden.

Sonntag, 7. Juli 2013

Menschen an Automatiktüren

Der Mensch an sich ist schon ein komisches Wesen und das meine ich jetzt ganz und gar nicht körperlich sondern mehr so psychisch. Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass die Spezies Mensch besonders gern stehen bleibt, an den unmöglichsten Stellen. Ich befürchte es handelt sich dabei um einen tragischen Gendefekt. Verantwortlich dafür das sogenannte Plötzlich-nicht-mehr-weiter-Gen. Evolutionstechnisch eindeutig eine Fehlentwicklung, denn ist nicht gerade der in der Tierwelt weit verbreitete, besonders gut ausgeprägte Fluchtreflex ein wichtiger Garant für das Überleben? Sollte das Im-Weg-rum-stehen jedoch dazu dienen, die Weltbevölkerung ein wenig zu dezimieren, muss leider festgestellt werden, dass die Methode etwas zu ineffektiv ist. Ich wäre ja dafür, dass Menschen, die unvermittelt stehen bleiben und dabei anderen, zielstrebigen Menschen sinnlos im Weg stehen, auf der Stelle weggebeamt werden.
Das Phänomen der plötzlichen Fortbewegungsverweigerung tritt besonders gern an den ungeeignetsten Stellen auf. Zum Beispiel am Ende von Rolltreppen. Warum zum Teufel bleiben einige Leute am Ende der vollbesetzten Rolltreppe einfach stehen? Haben die nicht mitbekommen, dass das Förderband ab hier nicht mehr für den Personentransport verantwortlich ist? Haben die plötzlich Orientierung verloren? Obwohl sie gerade mehrere Minuten lang, schnurgerade auf ein ganz offensichtliches Ziel zugefahren sind. Es mag ja nicht so tragisch sein, wenn man sich - auf der neuen Ebene angekommen - erst einmal umschauen möchte und man ganz allein auf der Rolltreppe unterwegs war. Aber wenn diese fahrenden Stufen voll besetzt sind, was in der Regel auch von den Vorausfahrenden bemerkt werden sollte, und der Personennachschub deshalb kontinuierlich fortgesetzt wird, was zur Folge hat, dass es unausweichlich zu Stau und im schlimmsten Fall zum berühmt berüchtigten Dominoeffekt kommt, ist es doch nicht zu viel verlangt zwei Schritte zu tun und zumindest eine kleine Fluchtmöglichkeit zu bieten. Anderes Beispiel, im Supermarkt. Da sind doch immer so Drehkreuze - fragt mich nicht wieso! - eines für Menschen und eines mit so Plastikfransen für die Einkaufswagen. Zugegeben, es ist koordinativ schon leicht anspruchsvoll sich selbst durch die Personenvereinzelungsanlage - die heißen wirklich so - und den rollenden Einkaufskorb parallel durch das andere Ding zu schieben. Aber ist das wirklich so anstrengend, dass man danach erst mal eine kurze Pause benötigt? An der fehlenden Orientierung kann es hier ja eigentlich nicht liegen. Es sei denn das im vorhergehenden Beitrag beschriebene Phänomen ist gerade mal wieder eingetreten. Allerdings kann man in so einem Supermarkt durchaus auch noch einmal zurück gehen, wenn man etwas vergessen oder eben nicht gefunden hat. Nervt zwar, ist aber, wie ich erst neulich feststellen durfte, tatsächlich möglich. Zum Schluss hab ich noch ein drittes Beispiel, bei dem zahlreichen Menschen regelmäßig in ihren persönlichen Standby-Modus verfallen. Genau: automatische Schiebetüren. Spannender Weise sind die meisten von diesen verrückten Dinger so konstruiert, dass man erstens hindurchschauen kann und zweitens sie sich wie von Zauberhand öffnen und man nicht dagegen rennt. Passiert Letzteres doch, folgt in der Regel großes Gelächter. Jedoch scheint das erfolgreiche überwinden dieser Hindernisse manch einen so extrem zu fordern, dass man direkt dahinter kurz verschnaufen muss. Denn auch hier möchte ich den Orientierungsverlust nicht als Ausrede gelten lassen, da man - wie gesagt - zumeist schon bei der Annäherung von drinnen hinaus oder von draußen hinein schauen kann. Eine besondere magische Anziehungskraft scheinen jedoch Automatiktüren an fahrenden Objekten auszuüben. Hier lässt sich ganz oft sogar eine Verdopplung des Im-Weg-herum-steh-Effektes beobachten. Denn kommt ein solches Fahrzeug - ein Zug, ein Bus, eine Straßenbahn, beziehungsweise eine Tram (für die aus den gebrauchten Bundesländern) - zum Halten und eine Schiebetür öffnet sich, steht immer mal wieder bereits eine breite Menschenfront wie angewurzelt direkt davor. Dann stehen sich urplötzlich zwei Personenfronten versteinerte gegenüber. Schafft es dann tatsächlich einer von Innen nach draußen, muss diese Person natürlich direkt wieder wie paralysiert stehen bleiben. In dem Fall hilft dann oft nur noch rohe Gewalt, damit das System nicht vollständig zum erliegen kommt. Und an alle Kampfrentner mit ihren Rollatorpanzern, Mütter mit Kinderwagen und unkontrollierte Kinderhorden die sich gern darüber echauffieren, wenn Sie von Aussteigenden blöd angeguckt oder berührt werden, lasst gefälligst zumindest einen kleinen Fluchtweg und die Leute erst raus! Das hilft in solchen Fällen ungemein!

Mittwoch, 3. Juli 2013

Supermarkt Shuffle

Freitag, die Woche ist zum Glück geschafft und das Wochenende steht vor der Tür. Da kommt plötzlich der kleine Hunger um die Ecke und du machst dich auf zu deinem Kühlschrank. Dort angekommen reißt du voller Vorfreude die Tür auf und entdeckst... ziemlich viel Nichts - ein halbes Stück Butter, 'ne Flasche Ketschup und ein Glas saure Gurken. Da kannst du im Netz suchen, solange du willst, da wird kein Festmahl draus. Also schnell zum Supermarkt des Vertrauens, bevor die ganzen Rentner ebenfalls zu ihrem Wochenendeinkauf aufbrechen. Das Wetter für die nächsten Tage lädt mal wieder eher zum Drinnen bleiben ein und der Blick nach draußen verheißt schon jetzt nichts Gutes. Darum jetzt schnell alle Gedanken zusammen nehmen, in Gedanken den Einkaufszettel erstellen und die Pfandflaschen aus der Abstellkammer einpacken. Ein letzter schneller Blick aus dem Fenster, alles noch trocken! Los geht's! In einer halben Stunde bin ich zurück!
Kaum hab ich mich zehn Meter von der Haustür entfernt, öffnet er Himmel seine Schleusen und der kurze Weg zum Supermarkt ist gerade lang genug, um pitsche-patsche nass zu werden. Unter dem Vordach angekommen den Chip in den Wagen und ab ins Tr... Scheiße Vorderrad blockiert! Neuer Wagen, nur leichter Linksdrall, besser! ... ab ins Trockene. Kurz hinter dem Drehkreuz sieht auch alles aus wie immer. Links die Cornflakes, auf der anderen Seite Kuchen und Brot. Doch der Eindruck täuscht, weiter hinten sieht alles irgendwie anders aus, aber das soll uns nicht aus der Ruhe bringen. Erstmal so tun, als sei nichts passiert. Obwohl es schon ein wenig irritierend ist, wenn da wo sonst Obst und Gemüse zu finden waren, plötzlich Kühltruhen mit Unmengen Fleisch stehen. Egal, am Ende des ersten Ganges um 180 Grad drehen und in Gang 2 einbiegen. Nachdem ich nun also die "Fleisch-ist-mein-Gemüse-Passage" auch von der anderen Seite betrachten konnte, gelange ich in die Abteilung Chips und Co. rechts und Säfte links. Zumindest beim letzten Einkauf war das noch so. Und das ist ja nun auch schon vier lange Tage her. Jetzt sind aus den Chips plötzlich Cookies geworden - okay das liegt nicht allzu weit auseinander - aber statt dem Saft stehen da neuerdings Kisten voller Wein. Die nächste Wende, direkt vor den Kassen, verrät aber zum Glück, dass Tetrapack und Mehrwegflasche nur die Seite gewechselt haben. Während der Billigfusel seit Neuestem in Holzkisten präsentiert wird, lagern die alkoholfreien Getränke jetzt nur noch auf Paletten. Die Regale hat man eingespart. Aber dank der liebevollen Platzierung in Bodennähe und des dadurch massiv verbesserten Überblicks, kann man ganz leicht erkennen, dass Regale auch vollkommen überflüssig sind. Denn die Paletten mit Saft und Co. werden von den Paletten mit Wasser-, Limo- und Cola-Sixpacks abgestützt. Der Weg führt uns also wieder in die Tiefe des Raumes, vorbei an den Aktionsflächen, zurück in die Fleisch-Kühltruhen-Landschaft. Der Blick von oben auf die aufgereihten Plastiksärge hat ein bisschen was von Lenin Mausoleum. Angekommen am hinteren Ende des Supermarktes steht man vor den drei laufenden Metern Kühlschrank, in denen vorher das gesamte anti-vegetarische Angebot Platz fand - jetzt sind es etwa zwölf. Das Kühlregal ist dafür nun beinahe leer. Zurück in Richtung Kassen geht es entlang der Kühlregale die traditionell mit Wurst, Käse und sonstigen Molkereiprodukten befüllt sind. Aber natürlich ist auch hier einmal bunt durchgemischt worden. Einzig die Hygieneartikel direkt vor der Kasse scheinen unverändert in den Regalen verblieben zu sein. Ich habe mich nun also komplett durch den neuen Supermarkt gekämpft und der Einkaufswagen ist auch gefüllt. Aber besser nochmal ein Kontrollblick bevor ich mich anstelle. Gute Idee, denn ich brauchte doch auch noch eine Dose Tomaten. Aber wo sind eigentlich die Konserven? Weg? Ich stehe mit fragendem Blick vor dem Regal, wo die Konserven sonst immer waren, und ich stehe hier nicht alleine. Also zurück zum Anfang, denn wenn ich eines schon begriffen habe, dann dass die jetzt überall sein können. Heißt im Klartext: Augen auf und zweite Runde. Erst jetzt  fällt mir auf, wie gleichermaßen plan- und hilflos ausnahmslos alle durch den Markt irren. Nach wenigen Minuten entdecke ich dann schließlich die Konserven - zwischen Kaffee und Mehl. Ich beschließe spontan mich erst auf die Suche nach dem Tee, der vorher dort war, zu machen, wenn ich mal wieder welchen benötige. Nun schnell zur Kasse. Schnauze voll! Bezahlen, einpacken und dann ab nach Hause. Es ist inzwischen fast dunkel, aber es regnet immer noch. Als ich dann nach knapp eineinviertel Stunde endlich zu Hause angekommen bin, alles auspacken und im Kühlschrank verstauen. Dann der Schreck: wo sind eigentlich die Nudeln? Ja wo sind eigentlich die Nudeln?