Kenia ist ja ein Jagdland
Jaja, der gute Vorsatz
jede Woche einen neuen Beitrag zu posten ist kläglich gescheitert. Aber es gab
wirklich besseres zu tun, als sich die Finger auf einer Computertastatur heiß
zu tippen. Nämlich einfach mal die wenigen echten Sommertage genießen und mit
reichlich Eis und anderem kühlen Nass für reichlich Abkühlung zu sorgen. Und
mal ganz ehrlich... wirklich Berichtens wertes ist auch nicht passiert. Aber
hiermit ist die Sommerpause nun beendet. Ein kurzer Blick nach draußen, lässt
auch definitiv keinen anderen Rückschluss mehr zu.
Stichwort eisige
Stimmung. Es war Leichtathletik Weltmeisterschaft in Moskau. (Die Überleitung
hab ich von einem Schreiber vom Lanz!) Was für eine peinliche Veranstaltung.
Bei jedem Dorffest ist da mehr Action. Da sind wir von einer guten Diktatur
aber besseres gewohnt. Das über 80.000 Menschen fassende Luschniki-Stadion war
die gesamte Woche nahezu leer und die Stimmung einer WM entsprechend unwürdig.
Da wurde im Vorfeld alles für den totalen Triumph des Superstars, des
Heilsbringers, des Unglaublichen - nein nicht Pep Guardiola - aufbereitet,
Konkurrenten beseitigt und die Zeitpläne so gebastelt, dass die ganze Welt ihm
zur besten Sendezeit huldigen kann und dann bekommt er, Usain Bolt, vor
gefühlten fünfzig im Stadion verbliebenen Freunden und Fotografen seine sechste
WM-Goldmedaille überreicht. Glückwunsch! Entsprechend beleidigt hat er sich
dann auch am zweiten Wochenende präsentiert und sich mit Ach und Krach, aber
ohne das für ihn typische Spiel mit den Kameras, über die 200 Meter Strecke und
die letzten 100 Meter mit der Staffel geschleppt. Zugegeben, an den
Schlusstagen war das Stadion etwas besser besucht, Stimmung kam aber eigentlich
nur auf, wenn einheimische Athleten um Medaillen kämpften. Sonst war
mehr so tote Hose und von Tag zu Tag wurden weiter Sitzplätze mit Stoffbahnen
abgedeckt. Nur ein Block war immer voll besetzt. Da haben sich die Ukrainer
echt nicht lumpen lassen. Die haben ihre 2000 Sitzplätze immer vorbildlich
besetzt, tausend Mann in gelben und tausend Mann in blauen Leibchen. So geht
das Herr Putin. Die Deutsche Sporthilfe hatte im Vorfeld der WM auch eine
Aktion unter dem Namen "Dein Gruß für Moskau" zur Unterstützung der
deutschen Athleten gestartet - schwarz-rot-goldene Fahnen bestickt mit
Grußbotschaften und Motivationssprüchen - davon war am Ende aber Weit und Breit
nichts zu sehen. Obwohl es vor allem dank der deutschen Wegwerfgesellschaft
durchaus genug Gründe zum Jubeln gab. Robert Harting wird seiner Favoritenrolle
gerecht und holt zum dritten Mal in Folge den Titel im Diskuswurf. Auch David
Storl gelingt, zugegeben etwas überraschend und unter dramatischen Umständen,
die Titelverteidigung im Kugelstoßen. Sein mit Abstand weitester Stoß gelingt
ihm im vierten Versuch, doch dieser wird zuerst von den Kampfrichtern ungültig
gegeben. Daraufhin meldet sich der deutsche Fotograf Kai Oliver Pfaffenbach und
kann anhand seiner Fotoserie zeigen, dass der Stoß absolut korrekt war.
Einmalig! Der zweitplatzierte US-Amerikaner Ryan Whiting, der als haushoher
Favorit galt und am Ende um 16 Zentimeter unterlegen war, erweist sich am Ende
als schlechter Verlierer, legt zuerst Protest ein, um nachdem dieser erfolglos
bleibt, nochmal die Dopingkarte zu ziehen. Okay, wenn wir mal versuchen
objektiv auf die Leistung zu schauen, hätten wir vermutlich auch Fragezeichen
über dem Kopf schweben, wenn ein Athlet beim Saisonhöhepunkt plötzlich 60
Zentimeter weiter stößt als in der gesamten Saison. Dass er damit aber auch
einige Zentimeter unter seiner persönliche Bestleistung bleibt, könnte das
ganze etwas relativieren, zumal diese etwa 40 Zentimeter unter der seines
Konkurrenten liegt, der in Moskau gut 70 Zentimeter unter seiner Rekordweite
von 22,28 Metern bleibt. (Wer im Glashaus sitzt, sollte also besser nicht mit
Kugeln stoßen!). Mit ordentlich Wut im Bauch und ihr deutlich anzusehender
"Scheiß-drauf!"-Einstellung gelingt auch Christina Schwanitz im
letzten Versuch der Sprung auf den silbernen Podestplatz im Kugelstoßen. Ihr
großes Ziel war es, diesmal direkt an der Siegerehrung teilnehmen zu dürfen und
die Medaille nicht erst nachträglich per Post zugestellt zu bekommen. Der
goldene Wurf gelang endlich auch einmal der Speerwerferin Christina Obergföll.
Ihr Zukünftiger der "ewige Dritte" Boris Henry (war auch Speerwerfer)
hatte der "ewigen Zweiten" vor der WM versprochen, dass wenn Sie den
Titel holt, er ihren Nachnamen annimmt. Das war scheinbar Motivation genug. Die
weiteren Medaillen holten die Stabhochspringer Björn Otto (Bronze) und Raphael
Holzdeppe - der erster deutscher Weltmeister in dieser Disziplin überhaupt wird
- und ebenfalls sensationell der Zehnkämpfer Michael Schrader. Sehr angenehm an
der Berichterstattung war diesmal, dass die Medaillen nicht schon vorher
gezählt wurden und auch die Leistungen der anderen deutschen Teilnehmer gewürdigt
wurden. So schrammten zum Beispiel die Siebenkämpferin Claudia Rath (um nur 15
Punkte), die Stabhochspringerin Silke Spiegelburg (um sieben Zentimeter), die
Speerwerferin Lind Stahl (um 31 cm), Diskuswerferin Nadine Müller (um 50 cm),
Diskuswerfer Martin Wierig (um 17 cm) und die 4 x 100 m Staffeln der Frauen
(drei Hundertstel) und Männer (zwölf Hundertstel) jeweils als Vierte nur
denkbar knapp an Edelmetall vorbei. Außerdem erwähnenswert, dass der
Weitspringer Christian Reif als Sechster nur um sieben Zentimeter an Silber
vorbeispringt und der 1500-Meter Läufer Homiyu Tesfaye, Asylbewerber und von
vielen im Vorfeld gescholten, nur um zwei Zehntel geschlagen, überraschend
Fünfter wird. Das Gesicht vom ZDF Reporter Norbert König hätte ich gern
gesehen... dieser hatte Tesfaye nach dem erfolgreichen Halbfinale noch
süffisant gefragt, was er sich den jetzt für das Finale vornimmt und eiskalt
die Antwort bekommen: "Na eine Medaille!", woraufhin der Experte in
heiteres Gelächter ausbrach, aber da hatte er wohl die eigentliche Bedeutung
des Wortes Wettkampf verdrängt. Mal abgesehen davon, dass ich wohl nie
verstehen werde, warum die beiden großen öffentlich-rechtlichen Sender jeweils
mit einem kompletten Tross zu so einer Großveranstaltung fahren müssen, nur um
dann im täglichen Wechsel vom (zumeist) anderen Ende der Welt berichten zu
können, stellt sich mir auch immer die Frage, warum immer öfter der Eindruck
entsteht die Gesichter vor der Kamera und hinter den Mikrofonen hätten auch gar
keine echte Lust darauf. Da werden lieblos Phrasen gedroschen, sämtliche
Leistungen Sportler anderer Nationen nur mit Skepsis betrachtet und sich völlig
emotionslos durch Interviews gestolpert, sowohl in Erfolg, als auch
Enttäuschung, während nebenan die Kommentatoren am Mikrofon ausrasten und ihre
Athleten zur Begrüßung zum Interview mit lautem Handschlag oder Küsschen links,
Küsschen rechts begrüßen um darauf hin locker drauf los zu plaudern. Das
einziges Highlight der öffentlich-rechtlichen Berichterstattung gab es beim
Speerwurf der Männer zu hören, als sich plötzlich der Kenianer Julius Yego mit
85,40 Metern auf Platz drei katapultiert und dem Reporter rausrutscht:
"Ja, Kenia ist ja auch ein Jagdland!" Am Ende wird der Kenianer noch
vom Russen - und einem Anruf von Herrn Putin - überholt und wird Vierter.
Soviel zum sportlichen
Teil der Weltmeisterschaft. Am Aufsehenerregendsten waren ohnehin die
Fingernägel der schwedischen Hochspringerin Emma Green-Tregaro, die sich zum
Protest gegen das Anti-Homosexuellen-Gesetz die Fingernägel in den
Regenbogenfarben lackiert hatte und damit mehr Eindruck hinterließ, als der 800
Meter Läufer Nick Symmonds, der "nur" seine Silbermedaille seine
homosexuellen Freunden widmete. Nein, bei bunten Fingernägeln hört die
Meinungsfreiheit auf! Meint zumindest Putins Systemtreue Vorzeige Sportlerin
und Volksheldin Elena Isinbaeva. Die Stabhochspringerin, die kurz zuvor wie
geplant Weltmeisterin wurde. Selbige fühlte sich genötigt in einer
Pressekonferenz mal in aller Deutlichkeit die allgemeine russische Meinung zum
Thema, die nicht NUR die putinsche, sondern auch IHRE sei, heraus- und das
Verhalten der Schwedin als absolut respektlos darzustellen. Das schlug dann
doch etwas höhere Wellen im Medienecho, woraufhin besagte Frau Isinbaeva tags
darauf versuchte zurückzurudern und alles auf ihr mangelhaftes Englisch zu
schieben. Wer die sich die PK und Isinbaevas Englisch anhört, weiß, was er von
dieser Ausrede zu halten hat. Nun ja, wollen wir es ihr als Putins Betthäschen
nicht allzu übel nehmen, denn was hätte sie anderes sagen sollen, bzw. dürfen?
Viel erschreckender, dass sich die Funktionäre des Leichtathletik Weltverbandes
IAAF vor den selben Karren spannen lassen und Emma Green offiziell verwarnen
und diese dann auf Grund des öffentlichen Drucks im Finale mit
rot-überlackierten Nägeln antreten musste. Ausgerechnet zwei russische 400
Meter Läuferinnen konnten nach ihrem Staffeltriumph eindrucksvoll gegen die
Diskriminierung Homosexueller protestieren, indem sie sich provokativ auf den
Mund küssten. Respekt! Ich befürchte aber die werden nun womöglich nicht mehr
so sehr oft für Russland starten. Außerdem kann man ja beinahe von Glück reden,
dass der im Vorfeld der WM positiv getestete amerikanische Sprinter Tyson Gay
nicht an der WM teilnehmen durfte. Schließlich trugen alle Athleten statt
Startnummer diesmal ihren Namen auf der Brust. Aber freuen wir uns schon Mal
auf die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotchi und die übernächste Fußball-WM
im Land des lupenreinen Demokraten! Mehr Rückhalt für die Sportler als von der
IAAF ist zumindest auch von IOC und FIFA nicht zu erwarten. In diesem Sinne:
Sport frei!