Donnerstag, 22. August 2013

Es lebe der Sport



Kenia ist ja ein Jagdland

Jaja, der gute Vorsatz jede Woche einen neuen Beitrag zu posten ist kläglich gescheitert. Aber es gab wirklich besseres zu tun, als sich die Finger auf einer Computertastatur heiß zu tippen. Nämlich einfach mal die wenigen echten Sommertage genießen und mit reichlich Eis und anderem kühlen Nass für reichlich Abkühlung zu sorgen. Und mal ganz ehrlich... wirklich Berichtens wertes ist auch nicht passiert. Aber hiermit ist die Sommerpause nun beendet. Ein kurzer Blick nach draußen, lässt auch definitiv keinen anderen Rückschluss mehr zu. 
Stichwort eisige Stimmung. Es war Leichtathletik Weltmeisterschaft in Moskau. (Die Überleitung hab ich von einem Schreiber vom Lanz!) Was für eine peinliche Veranstaltung. Bei jedem Dorffest ist da mehr Action. Da sind wir von einer guten Diktatur aber besseres gewohnt. Das über 80.000 Menschen fassende Luschniki-Stadion war die gesamte Woche nahezu leer und die Stimmung einer WM entsprechend unwürdig. Da wurde im Vorfeld alles für den totalen Triumph des Superstars, des Heilsbringers, des Unglaublichen - nein nicht Pep Guardiola - aufbereitet, Konkurrenten beseitigt und die Zeitpläne so gebastelt, dass die ganze Welt ihm zur besten Sendezeit huldigen kann und dann bekommt er, Usain Bolt, vor gefühlten fünfzig im Stadion verbliebenen Freunden und Fotografen seine sechste WM-Goldmedaille überreicht. Glückwunsch! Entsprechend beleidigt hat er sich dann auch am zweiten Wochenende präsentiert und sich mit Ach und Krach, aber ohne das für ihn typische Spiel mit den Kameras, über die 200 Meter Strecke und die letzten 100 Meter mit der Staffel geschleppt. Zugegeben, an den Schlusstagen war das Stadion etwas besser besucht, Stimmung kam aber eigentlich nur auf, wenn einheimische Athleten um Medaillen kämpften. Sonst war mehr so tote Hose und von Tag zu Tag wurden weiter Sitzplätze mit Stoffbahnen abgedeckt. Nur ein Block war immer voll besetzt. Da haben sich die Ukrainer echt nicht lumpen lassen. Die haben ihre 2000 Sitzplätze immer vorbildlich besetzt, tausend Mann in gelben und tausend Mann in blauen Leibchen. So geht das Herr Putin. Die Deutsche Sporthilfe hatte im Vorfeld der WM auch eine Aktion unter dem Namen "Dein Gruß für Moskau" zur Unterstützung der deutschen Athleten gestartet - schwarz-rot-goldene Fahnen bestickt mit Grußbotschaften und Motivationssprüchen - davon war am Ende aber Weit und Breit nichts zu sehen. Obwohl es vor allem dank der deutschen Wegwerfgesellschaft durchaus genug Gründe zum Jubeln gab. Robert Harting wird seiner Favoritenrolle gerecht und holt zum dritten Mal in Folge den Titel im Diskuswurf. Auch David Storl gelingt, zugegeben etwas überraschend und unter dramatischen Umständen, die Titelverteidigung im Kugelstoßen. Sein mit Abstand weitester Stoß gelingt ihm im vierten Versuch, doch dieser wird zuerst von den Kampfrichtern ungültig gegeben. Daraufhin meldet sich der deutsche Fotograf Kai Oliver Pfaffenbach und kann anhand seiner Fotoserie zeigen, dass der Stoß absolut korrekt war. Einmalig! Der zweitplatzierte US-Amerikaner Ryan Whiting, der als haushoher Favorit galt und am Ende um 16 Zentimeter unterlegen war, erweist sich am Ende als schlechter Verlierer, legt zuerst Protest ein, um nachdem dieser erfolglos bleibt, nochmal die Dopingkarte zu ziehen. Okay, wenn wir mal versuchen objektiv auf die Leistung zu schauen, hätten wir vermutlich auch Fragezeichen über dem Kopf schweben, wenn ein Athlet beim Saisonhöhepunkt plötzlich 60 Zentimeter weiter stößt als in der gesamten Saison. Dass er damit aber auch einige Zentimeter unter seiner persönliche Bestleistung bleibt, könnte das ganze etwas relativieren, zumal diese etwa 40 Zentimeter unter der seines Konkurrenten liegt, der in Moskau gut 70 Zentimeter unter seiner Rekordweite von 22,28 Metern bleibt. (Wer im Glashaus sitzt, sollte also besser nicht mit Kugeln stoßen!). Mit ordentlich Wut im Bauch und ihr deutlich anzusehender "Scheiß-drauf!"-Einstellung gelingt auch Christina Schwanitz im letzten Versuch der Sprung auf den silbernen Podestplatz im Kugelstoßen. Ihr großes Ziel war es, diesmal direkt an der Siegerehrung teilnehmen zu dürfen und die Medaille nicht erst nachträglich per Post zugestellt zu bekommen. Der goldene Wurf gelang endlich auch einmal der Speerwerferin Christina Obergföll. Ihr Zukünftiger der "ewige Dritte" Boris Henry (war auch Speerwerfer) hatte der "ewigen Zweiten" vor der WM versprochen, dass wenn Sie den Titel holt, er ihren Nachnamen annimmt. Das war scheinbar Motivation genug. Die weiteren Medaillen holten die Stabhochspringer Björn Otto (Bronze) und Raphael Holzdeppe - der erster deutscher Weltmeister in dieser Disziplin überhaupt wird - und ebenfalls sensationell der Zehnkämpfer Michael Schrader. Sehr angenehm an der Berichterstattung war diesmal, dass die Medaillen nicht schon vorher gezählt wurden und auch die Leistungen der anderen deutschen Teilnehmer gewürdigt wurden. So schrammten zum Beispiel die Siebenkämpferin Claudia Rath (um nur 15 Punkte), die Stabhochspringerin Silke Spiegelburg (um sieben Zentimeter), die Speerwerferin Lind Stahl (um 31 cm), Diskuswerferin Nadine Müller (um 50 cm), Diskuswerfer Martin Wierig (um 17 cm) und die 4 x 100 m Staffeln der Frauen (drei Hundertstel) und Männer (zwölf Hundertstel) jeweils als Vierte nur denkbar knapp an Edelmetall vorbei. Außerdem erwähnenswert, dass der Weitspringer Christian Reif als Sechster nur um sieben Zentimeter an Silber vorbeispringt und der 1500-Meter Läufer Homiyu Tesfaye, Asylbewerber und von vielen im Vorfeld gescholten, nur um zwei Zehntel geschlagen, überraschend Fünfter wird. Das Gesicht vom ZDF Reporter Norbert König hätte ich gern gesehen... dieser hatte Tesfaye nach dem erfolgreichen Halbfinale noch süffisant gefragt, was er sich den jetzt für das Finale vornimmt und eiskalt die Antwort bekommen: "Na eine Medaille!", woraufhin der Experte in heiteres Gelächter ausbrach, aber da hatte er wohl die eigentliche Bedeutung des Wortes Wettkampf verdrängt. Mal abgesehen davon, dass ich wohl nie verstehen werde, warum die beiden großen öffentlich-rechtlichen Sender jeweils mit einem kompletten Tross zu so einer Großveranstaltung fahren müssen, nur um dann im täglichen Wechsel vom (zumeist) anderen Ende der Welt berichten zu können, stellt sich mir auch immer die Frage, warum immer öfter der Eindruck entsteht die Gesichter vor der Kamera und hinter den Mikrofonen hätten auch gar keine echte Lust darauf. Da werden lieblos Phrasen gedroschen, sämtliche Leistungen Sportler anderer Nationen nur mit Skepsis betrachtet und sich völlig emotionslos durch Interviews gestolpert, sowohl in Erfolg, als auch Enttäuschung, während nebenan die Kommentatoren am Mikrofon ausrasten und ihre Athleten zur Begrüßung zum Interview mit lautem Handschlag oder Küsschen links, Küsschen rechts begrüßen um darauf hin locker drauf los zu plaudern. Das einziges Highlight der öffentlich-rechtlichen Berichterstattung gab es beim Speerwurf der Männer zu hören, als sich plötzlich der Kenianer Julius Yego mit 85,40 Metern auf Platz drei katapultiert und dem Reporter rausrutscht: "Ja, Kenia ist ja auch ein Jagdland!" Am Ende wird der Kenianer noch vom Russen - und einem Anruf von Herrn Putin - überholt und wird Vierter. 
Soviel zum sportlichen Teil der Weltmeisterschaft. Am Aufsehenerregendsten waren ohnehin die Fingernägel der schwedischen Hochspringerin Emma Green-Tregaro, die sich zum Protest gegen das Anti-Homosexuellen-Gesetz die Fingernägel in den Regenbogenfarben lackiert hatte und damit mehr Eindruck hinterließ, als der 800 Meter Läufer Nick Symmonds, der "nur" seine Silbermedaille seine homosexuellen Freunden widmete. Nein, bei bunten Fingernägeln hört die Meinungsfreiheit auf! Meint zumindest Putins Systemtreue Vorzeige Sportlerin und Volksheldin Elena Isinbaeva. Die Stabhochspringerin, die kurz zuvor wie geplant Weltmeisterin wurde. Selbige fühlte sich genötigt in einer Pressekonferenz mal in aller Deutlichkeit die allgemeine russische Meinung zum Thema, die nicht NUR die putinsche, sondern auch IHRE sei, heraus- und das Verhalten der Schwedin als absolut respektlos darzustellen. Das schlug dann doch etwas höhere Wellen im Medienecho, woraufhin besagte Frau Isinbaeva tags darauf versuchte zurückzurudern und alles auf ihr mangelhaftes Englisch zu schieben. Wer die sich die PK und Isinbaevas Englisch anhört, weiß, was er von dieser Ausrede zu halten hat. Nun ja, wollen wir es ihr als Putins Betthäschen nicht allzu übel nehmen, denn was hätte sie anderes sagen sollen, bzw. dürfen? Viel erschreckender, dass sich die Funktionäre des Leichtathletik Weltverbandes IAAF vor den selben Karren spannen lassen und Emma Green offiziell verwarnen und diese dann auf Grund des öffentlichen Drucks im Finale mit rot-überlackierten Nägeln antreten musste. Ausgerechnet zwei russische 400 Meter Läuferinnen konnten nach ihrem Staffeltriumph eindrucksvoll gegen die Diskriminierung Homosexueller protestieren, indem sie sich provokativ auf den Mund küssten. Respekt! Ich befürchte aber die werden nun womöglich nicht mehr so sehr oft für Russland starten. Außerdem kann man ja beinahe von Glück reden, dass der im Vorfeld der WM positiv getestete amerikanische Sprinter Tyson Gay nicht an der WM teilnehmen durfte. Schließlich trugen alle Athleten statt Startnummer diesmal ihren Namen auf der Brust. Aber freuen wir uns schon Mal auf die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotchi und die übernächste Fußball-WM im Land des lupenreinen Demokraten! Mehr Rückhalt für die Sportler als von der IAAF ist zumindest auch von IOC und FIFA nicht zu erwarten. In diesem Sinne: Sport frei!