Montag, 17. Februar 2014

Bis zum kotzenden Model

Ich möchte das nicht! Das entspricht einfach nicht dem ursprünglich erdachten Anspruch. Die Beiträge in diesem Blog sollten schließlich auch von inhaltlichem Nutzen für den Leser … ‘tschuldigung … für die Leserinnen und Leser sein, wenigstens ein bisschen (das sieht so geschrieben aber irgendwie falsch aus). Zumindest überwiegend, dies war der Plan. Und deswegen habe ich mich entschieden, hier NICHT über die zuletzt ausgestrahlte Folge von Germanys Next Topmodel by Heidi Klum – der Einfachheit halber ab hier nur noch GNTMBHK genannt – schreiben, obwohl ich mir unter großen seelischen und körperlichen Schmerzen, später nur unter dem Einfluss rauer Mengen von Alkohol ertragend, die gesamten 135 Minuten (in Worten: einhundertfünfunddreißig) der zweiten Episode der, ich wollte es gar nicht wahr haben, bereits neunten Staffel von GNTMBHK angesehen habe. Zweieinviertel Stunden vergeudete Lebenszeit, geprägt von absolutem intellektuellem Vakuum – okay, das war abzusehen – die unwiederbringlich verloren und des Berichtens nicht Wert sind, beginnen mit Drama Baby, Drama!, denn die Modelmama ist dem Tode ganz nah, liegt in Singapur im Krankenhaus, ungeschminkt und kann das erste Mal in ihrem Leben nicht zur Arbeit gehen (BILD berichtete). Daher muss ihr Jurorenkollege Thomas Hayo, der alte Schwerenöter, jetzt ganz allein mit den letzten verbliebenen circa zwanzig zukünftigen Topmodels in der asiatischen Metropole zu erst eine Catwalk-Show bewältigen – hach ein Stolperer, nochmal in Slow-Mo und in Super-Slow-Mo, Katastrophe! – und am nächsten Tag shooten gehen. Als Location für das erste Shooting mit den Girls denglischt man sich ganz straight in den Cloud Forest, um dort under real Pressure mit einem österreichischen Photographen und einer Hand voll scary, shocking Schlangen die Möchtegernmodels abzulichten. Doch bevor die Luzie richtig abgeht, kommt der erste Werbeblock und der wird eröffnet, wie passend, von einem Spot für Fertigpizza – gut, dass ich meine schon verdrückt habe. Es folgen zahlreiche Commercials für Beauty-, Schmink- und Pflegeprodukte, vereinzelt einer für Reiseanbieter. Exakt in der Mitte der Werbepause, wird harter Alkohol empfohlen. Ich nehme das als versteckten Hinweis und genehmige mir vorsichtshalber vor dem angekündigten Shoot einen Shot. Die Fotosession gibt dann leider, trotz der argen Zeitnot von nur zehn Minuten pro Mädchen – die Stoppuhr läuft mit – nicht wirklich viel her und so muss die wertvolle Sendezeit halt mit dem üblichen Iiieehh, eine Schlange, einem Heulkrampf, einer Panikattacke und sich wiederholendem Hihi, wir machen dich jetzt nass, gefüllt werden. Hayo wechselt dabei unkontrolliert zwischen seinen Rollen als verständnisvoller, tränentrocknender Vater, überstrenger Kritiker und speichelsabbernder Macho hin und her. Die erste Stunde ist rum, wieder Werbung, exakt dasselbe Schema wie in Unterbrechung Nummer eins. Ich bekomm plötzlich Appetit auf ‘nen Keks. Mist, keine da. Es geht weiter, Heidi ist immer noch sterbenskrank und richtet per Videobotschaft ihre vermutlich letzten Worte, die frohe Kunde, dass alle mit nach EL EY dürfen, an die immernoch aufgewühlte Modelmasse. Werbung. In Los Angeles angekommen geht’s in die Modelvilla, die nur zwanzig Minuten – vermutlich mit dem ADAC-Hubschrauber – vom zu Hause des ehemaligen Topmodels entfernt liegt. Hier wird zu erst die gesamte GNTMBHK-Jury wiedervereint, die neben den zwei bereits genannten, durch Wolfgang Joop! ergänzt wird. Dieser fast siebzigjährige Greis, mit einem ähnlichen Sprachfehler wie Karl Lagerfeld (kann aber auch an schlechter Haftcreme liegen), der gern auch mal leicht verwirrt in einer Berliner Spelunke plötzlich neben einem am Pissoir auftaucht, ist zwar definitiv nicht mehr HD-TV-geeignet, aber dank seiner etwas schrulligen Art widererwarten gar nicht so unsympathisch und findet beim die Folge abschließenden Entscheidungswalk grundsätzlich alle Mädchen sehr hübsch. Das ist auch nicht schwer, denn die sehen alle gleich aus, zumindest bis auf die Haarfarbe und die im Imperfect-Look, was die freundliche Bezeichnung für die nicht dem Schaufensterpuppenvorbildentsprechenden Kandidatinnen – heißt die mit Zahnspange, X-Beinen, zu großer Nase und Pickeln – ist. Bedauerlicher Weise sind die alle so austauschbar, dass die nicht einmal genug Potential fürs Dschungelcamp oder Promi-Dinner mitbringen, was umso ärgerlicher ist, wenn man bedenkt, was die Gewinnerinnen und Platzierte der acht vorangegangenen Staffeln heute so treiben. (Na von wievielen Topmodelgewinnerinnen fallen euch die Namen noch ein?) Ob Spielerfrau, Laienheimatfilmdarstellerin, Auszubildende, RTL-Experten für alles, Taff-Moderatorinnen, Dschungelcamp-Bewohnerinnen oder On-Off-Beziehungen von alten, reichen Säcken, die Möglichkeiten sind vielfältig. Zurück zur eigentlichen GNTMBHK-Show, über die ich hier, nur zur Erinnerung, nicht berichten werde. Zum großen Finale fährt die Produktionsfirma nämlich noch einmal alle Geschütze der 0815-Primetime-TV-Unterhaltung auf. Beim alles entscheidenden Laufstegwalk zoffen sich bei der Entscheidung die Jurymitglieder bei genau zwei Kandidatinnen, zwei weitere Models in spe werden – wie lustig – by Heidi Klum nachgeäfft, weitere Zwei werden – Hihi, Haha, Hehe – in den Pool geschmissen, zwei Mal bekommt einer der Juroren gleich einen Sonnenstich, Joop! wechselt vier Mal das Outfit, zwischendurch kommt zwei Mal Werbung usw., usw., usw. Als dann endlich auch eine rausgeflogen ist, dürfen die verbliebenen Girls die Villa erkunden und mit ungenierter Penetranz werden die Kosmetikgeschenksets, fein säuberlich nach Marke getrennt, und die Ladyshaver, den probier ich gleich mal aus, übertrieben lange in Nahaufnahme gezeigt, bevor die Mädchen die Zimmer beziehen. Ist es eigentlich Zufall, oder nur strikte Rassentrennung, dass sich ausgerechnet die zwei schwarzen – Wie sagt man das nun eigentlich politisch korrekt? – Kandidatinnen ein Bett teilen müssen? Nun ja, auch sonst wird ja mit Klischees nicht gespart, besonders Beliebt das Thema Models und Ernährung: Boah, da ist ja Pute im Kühlschrank! Nach dem Shooting geht’s zum Lunch, da gibt’s was zu essen! Ich war beim Arzt, ich hab keine Bulimie, ich hab nur ne Essstörung! Da ist es doch nur allzu passend, dass als Cliffhanger zur nächsten Folge ein kotzendes Model auserkoren wurde, obwohl in Folge drei das große Umstyling ansteht – dazu gibt es auf der GNTMBHK-Homepage sogar ein Voting, wer das krasseste bekommen soll – und das verspricht doch allein schon ein tränenreiches Staffel-Highlight zu werden. Ich werd’s bestimmt nicht schauen und erst recht nicht darüber schreiben.
Worüber ich aber stattdessen berichten möchte: ein Wunder ist geschehen, steh ich doch letztens in meiner Küche, am Herd, beim Brutzeln, als es direkt vor mir plötzlich einen Knall gibt und das Licht meiner 3er Grundtal-Lampe erlischt und ich fluchend im Dunkeln im Topf weiterrühre. Das blöde Ding ist doch erst zwei Jahre alt, das darf doch noch nicht kaputt gehen, das sind doch Halogenlampen, scheiß IKEA. Jetzt muss ich da in den nächsten Tagen mal hin, nur um mir eine neue Unterbauleuchte zu besorgen. Als ich dann am Folgetag ganz routiniert das Licht überm Herd versuche anzuknipsen, werde ich prompt daran erinnert, dass das Teil ja den Geist aufgegeben hat und ich rege mich erneut auf. Weitere vierundzwanzig Stunden später, dasselbe traurige Spiel. Der dritte Tag … ich komm in die Küche, drücke auf den Lichtschalter, da fällt mir ein, achja kaputt, drehe mich um und mir geht ein Licht auf, dass verfluchte Ding hat un-fucking-believable Selbstheilungskräfte und leuchtet wieder. Verrückt!

Montag, 10. Februar 2014

Olympia in Sochi - Stolz und Vorurteil



Es ist kaum ein halbes Jahr her, da fand die Leichtathletikweltmeisterschaft 2013 in Moskau statt, der Hauptstadt des Landes, welches nun, seit letztem Wochenende, die Olympischen Winterspiele 2014 ausrichtet. Jetzt sind Olympische Spiele zweifelsohne noch eine Nummer größer und bedeutender als eine jährlich stattfindende WM, aber rechtfertigt dies auch, dass die Vorbehalte gegen den Ausrichter exponentiell größer sind als sechs Monate zuvor? Und wo liegt eigentlich der Unterschied zwischen alles Schön- oder alles Schlecht-Reden? Propaganda bleibt Propaganda. Natürlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn im Vorfeld eines so gigantischen Events Reporter, Journalisten, Aktivisten etwas genauer hinschauen, Missstände aufdecken und diese dann auch hemmungslos kommunizieren. Aber diese einseitige Berichterstattung im Vorfeld der Spiele, in der mit aller Vehemenz, alles und jeder kritisiert und für unwürdig erklärt wird, ist am Thema vorbei, peinlich und abstoßend. Ja, es stimmt, es sind die mit Abstand teuersten Olympischen Winterspiele, teurer als alle bisherigen einundzwanzig Olympischen Winterspiele … zusammen! Aber das hat verschieden Ursachen: Korruption, Gigantismus um nur zwei zu nennen. Und ja, es wurde (ziemlich sicher) ohne Rücksicht auf Bevölkerung, Arbeiter, Natur, Umwelt und Nachhaltigkeit ein riesiges neues Wintersportgebiet erschaffen – aus dem Nichts – in nur sieben Jahren. Das kann man kritisieren, sollte man mit gesundem Menschenverstand wohl sogar, doch aber bitte etwas differenzierter und mit beiden Beinen auf dem Boden und gänzlich ohne verlogene Doppelmoral und ohne dabei aus den Augen zu verlieren, worum es eigentlich geht, oder gehen sollte. Die Olympischen Spiele sind schließlich „nur“ eine Sportveranstaltung in deren Fokus die Athleten und der Wettkampf stehen. Es bleibt zu hoffen, dass sich auch die Meinungsmacher in den folgenden sechszehn Tagen, während der insgesamt 98 Wettkämpfe, darauf besinnen und nicht den fatalen Fehler begehen und Sport und Politik miteinander vermengen.
Am meisten aber regt mich auf, dass permanent die Lage des Austragungsortes als absolutes No-go dargestellt wird. Klassischer Fall von scheinheiliger Halbwahrheit oder um es mit Pipi Langstrumpf zu sagen: Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt. Sochi liegt in der Tat am Schwarzen Meer und im Sommer ist es dort auch schön warm. Blöder Weise ist es das im Winter dort aber nicht unbedingt. Beispiel folgt… Am Eröffnungstag der 22. Winterspiele lag die Tageshöchsttemperatur im subtropischen Sochi bei 7°C, das mag zwar für einen Wintersportort in der Tat zu warm sein, ist aber nur ein Grad mehr, als in Turin (Austragungsort 2006) und 3 Grad mehr als in Pyeongchang (Südkorea, 2018). Allerdings lag die Temperatur damit um 1 Grad unter der Höchsttemperatur in Salt Lake City (2002), 4 Grad unter der von Innsbruck (1964 und 1976) und sogar ganze 7 Grad unter dem Tageshöchstwert von München, der beinahe Kandidatenstadt für 2022, in der man heute durchaus auch im T-Shirt im Biergarten hätte sitzen können. Und die Tatsache, dass Sochi am Wasser gebaut ist, hat die Stadt am Rande des Kaukasus übrigens durchaus mit Oslo und Vancouver gemein. Da hat im Vorhinein auch niemanden gestört, dass Menschen eben dort im Sommer gelegentlich in kurzen Hosen herumlaufen können. Zu blöd, dass man dann bei der Ankunft im olympischen Skigebiet Krasnaja Poljana völlig unerwartet doch Schnee vorfand – wohlgemerkt echten Schnee – und es unvermeidlich ist, TV-Bilder mit winterlichem Anschein gen Heimat zu schicken. Das hält aber die Kommentatoren bisher trotzdem nicht davon ab, bei jeder Gelegenheit sofort zu erwähnen, wenn die Temperaturen vor Ort die magische Null-Grad-Marke überschreiten.
Bleibt ja fast nur noch das meckern über nicht fertig gewordene Unterkünfte, Sportstätten, Blumenbeete. Als Sinnbild hierfür mussten die ersten Tage daher immer wieder die Selbe fragwürdig platzierte Heizung und eine Doppeltoilette ohne Trennwand herhalten. Jede abgerissene Gardine, jede lockere Schraube, jede zu wechselnde Glühbirne waren ein weiterer Beweis für die Unfähigkeit der Ausrichter und wenn nicht gleich eine Eilmeldung, dann doch zumindest Hohn und Spott wert. Dann treffen irgendwann die ersten Sportler ein und sind völlig platt, dass ja doch alle Zimmer fertig sind und alles gar nicht so kacke ist, wie ihnen prophezeit wurde. Im Gegenteil, die Athleten finden es sogar ganz dufte in den drei olympischen Dörfern und sind froh über die kurzen Wege: „Wir können in drei bis fünf Minuten zu den Strecken zu Fuß laufen“. Das sämtliche Sportanlagen im Auge der Sportler dann auch noch ebenso modern, wie anspruchsvoll und in top Zustand sein sollen, erscheint einem dann schon fast unwirklich.
Naja, zum Glück gibt es immer noch den russischen Präsidenten, der – wider Erwarten – dann doch nicht gleich selbst das Olympische Feuer entfacht, aber für die westliche Welt als das personifizierte Böse immer noch gut genug ist. Dabei ringt er doch mit der Ausrichtung der größten Sportevents - Olympia, Leichtathletik- und Fußball-WM - lediglich um etwas Anerkennung in der Welt und versucht sein Volk wieder etwas stolzer zu machen. Ohne Zweifel, ist Putins politisches Handeln aus unserer Perspektive und unserem Verständnis heraus in vielen Fällen mehr als nur Hinterfragens wert, aber wie weiter oben schon gesagt, gehören Olympische Spiele und Weltpolitik nicht wirklich zusammen und daher kann ich mich nur der Meinung von Wladimir Kaminer zu 100 % anschließen: „Ich finde Kritik super! Das ist genau das, was Russland braucht. Was ich als falsch empfinde, sind die Boykotts. Wenn beispielsweise der deutsche Bundespräsident den Spielen den Rücken kehrt. Das ist eine sehr naive und kindische Haltung. Gerade in unserer Zeit, wo die Welt eine kleine Kugel geworden ist, wo alles mit allem verbunden ist, kann man ein so ein großes Land wie Russland doch nicht außer Acht lassen. Im Gegenteil: Da soll man hinfahren und soll meckern. Und man soll sich über unfertige Hotels beschweren. Übrigens haben Österreicher diese Hotels gebaut ...“ (tagesschau.de, 5.2.2014, Interview mit S. Stalinski, https://www.tagesschau.de/ausland/interview-kaminer100.html). 
Und ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sage, aber zur Eröffnungsfeier habe ich mir ehrlich gedacht: schade, dass Guido Westerwelle nicht mehr Außenminister ist, der hätte im offiziellen deutschen Olympia-Outfit auf der Ehrentribüne neben Wladimir Putin echt ein tolles Bild abgegeben.