Ab und zu kommt es doch noch vor, dass man etwas nicht online, telefonisch
oder per E-Mail erledigen kann und einem nix anderes übrig bleibt als einen
Brief oder ein Paket zu schicken. Selbiges ist mir neulich widerfahren und da
für E-Mails keine Briefmarken benötigt werden, wobei die Halsabschneider bei
der Post ständig das Porto erhöhen und man – genau wie bei Schrauben – sowieso nie
die passenden im Haus hat, blieb mir nichts anderes übrig als die
nächstgelegene Postfiliale, beziehungsweise den nächsten Servicepoint
aufzusuchen um einen Standardbrief abzuschicken. Es war Samstagvormittag – als vorm
Mittag – und völlig überraschender Weise war ich ganz offensichtlich nicht der
Einzige mit einem derartigen Problem. Aber ich hatte ja Zeit. Das galt unübersehbar
auch für die Dame hinter dem Schalter, die wohl auch schon im Wochenendmodus
lief. Direkt vor mir stand eine Mutter mit einem leicht hyperaktiven Kleinkind,
dass – in Ermangelung von Süßigkeiten – abwechselnd neonfarbenen Bastelbedarf, bunte
Stifte und lustige Postkarten anschleppte, um sich von Mutti, die nervös im
Wechsel auf Handy und Uhr starrte, eine grimmige Abfuhr nach der anderen abzuholen.
Davor ein Opi mit Rollator, der, als er endlich an der Reihe war, lediglich
nach einem kleinen DHL Paketset in gelb verlangte und prompt für 2 Euro 49 einen Karton in der Größe
L über den Tresen gereicht bekam, ihn in seinen Rollator stopfte und wackelig,
ohne nachzufragen, von dannen zog. Nun also die schon leicht gereizte, krampfhaft
um etwas Restfreundlichkeit bemühte Mutter auf 179einhalb: „Die hier verschicken“
brummt sie mit gequältem Lächeln, als sie zwei – ich als Laie würde sagen
Briefe – auf den Tresen schiebt. Doch so einfach ist das Ganze natürlich nicht.
„Als Brief oder als Päckchen?“ fragt die blaugelbe Uniform. Mutter: „Was ist
der Unterschied?“ (berechtigte Frage!). Postfrau: „Preis und Päckchen dauert
länger!“ (logisch: längere Transportzeit = höhere Kosten). Mutter: „Dann Brief!“.
Postfrau: „Einschreiben oder Normal?, wegen Nachverfolgung“, „Persönliche Übergabe
oder Briefkasteneinwurf?“. Ich komme mir fast vor wie wenn ich bei Starbucks
einen einfachen Kaffee bestellen will. Noch ein Wort mehr und die Mutter vor
mir explodiert und zerrt die Uniform über den Tresen. Ein grelles „TILT!“
blinkt bereits über ihrem Kopf. Sie kramt in ihrem Portemonnaie nach 2,90 Euro
und dreht, ihr Kind hinter sich her schleifend, die Frage nach dem Bon
ignorierend, ab. Ich gebe der Dame am Schalter noch ein paar Sekunden zum
Durchatmen, bevor ich mit meinem Briefumschlag und den Worten „Hallo. Als einfachen
Standardbrief, bitte“, das eben gelernte direkt umsetze und umgehend die
aufgerufenen sechzig Cent zusammensuche und passend bezahlen will. Sie lächelt
und meint: „Hier! Briefmarke ist drauf. Schmeißen Sie ihn draußen in den Briefkasten.
Der wird heute nochmal geleert. Hier geht heute nichts mehr raus.“ Die
Verwunderung steht mir ins Gesicht geschrieben, aber ich tue wie mir gesagt
wurde, verzichte ebenfalls auf den Zahlungsbeleg und verlasse mit einem knappen
„Danke. Tschüss.“ den DHL Servicepoint Richtung Briefkasten und dann zurück
nach Hause.
Wenn das verschicken von Postsendungen schon so aufregend sein
kann, wundert es natürlich auch nicht, dass das Erhalten von Briefen und vor
allem Paketen nicht weniger spannend sein kann. Ich möchte vornweg klarstellen,
dass ich eigentlich ein recht gutes Verhältnis zu meinem Postboten habe, er nur
ganz selten für Aufreger sorgt und ich ihm – wenn ich nicht gerade noch im Schlafanzug
im Bett lieg oder so – entgegengehe, damit er nicht jedes Zwanzig-Kilo-Plus-Paket
über den zweiten Hinterhof bis in die fünfte Etage schleppen muss. Ich bin ja
gar nicht so. Aber manchmal, da hat er schon echt schräge Ideen, wie Pakete
oder Päckchen den Weg zu mir finden könnten. Warum zum Beispiel gibt er ein
Paket ausgerechnet bei dem Hobbyfrisör im Nachbarhaus ab, der nur zwei Mal in
der Woche zwischen zwölf und vierzehn Uhr geöffnet hat? Und kreuzt dann auf der
Infokarte „Abgegeben bei ihrem Wunschnachbarn“ an. Ähnlich schön, wenn das
Paket bei Nachbarn abgegeben wird, die dann erstmal für drei Wochen in den
Urlaub fahren und das dringend erwarte Geschenk dann gut verwahrt in einer fremden
Wohnung liegt. Da kann der Postbote natürlich nicht direkt was dafür, ist aber
trotzdem scheiße. Originell auch die folgende Lösung… Samstag früh um halb neun
aus dem Bett geklingelt, zur Gegensprechanlage gestürzt, „Paket für Sie“, die
Tür geöffnet und gewartet … und gewartet … und … nach gefühlten zehn Minuten im
Pyjama an der Wohnungstür, reifte in mir die Überlegung, dass das Paket wohl
doch nicht für mich gewesen sein wird, ich schließe die Tür und schlafe meinen
Freitagnacht-Kater aus. Diese Überzeugung verfestigt sich als auch im
Briefkasten keine Infokarte zu finden ist. Umso überraschter bin ich, als ich
am Montagabend ebenda einen kleinen Briefumschlag mit einer solchen Karte
entdecke. Ausrede: „Wir haben Sie leider am Samstag (Datum, Uhrzeit) nicht
angetroffen, Paket wurde bei Nachbarn XY abgegeben“. Ein Glück das ich
wenigstens die Tür geöffnet habe, sonst hätte der arme – ohne ihm Boshaftigkeit
unterstellen zu wollen – etwas unmotivierte Postbote die Pakete ja allesamt wieder
mitnehmen müssen.
Den Vogel hat allerdings der Paketauslieferer abgeschossen, der
mir die schwerverdiente – ich bin bis heute leicht traumatisiert – Ration Cookies
zustellen sollte. Das Paket wurde, die Absenderin hatte es verraten, an einem
Donnerstag auf der Post abgegeben, mit etwas Wohlwollen hätte also am Samstag (schon
wieder) der Postmann klingeln können. Es kommt jetzt wohl wenig überraschend,
wenn ich sage, dass es so nicht kam. Dann vielleicht am Montag – Fehlanzeige,
aber am Dienstag dann definitiv … doch nicht. Sender und Empfänger wurden
leicht unruhig. Zurückgekommen war das Paket ja auch nicht. Mittwoch, wieder
nix. Echt, eine Woche für ein Paket? Das ist nicht euer Ernst! Mittwochabend kurz
nach 18 Uhr klingelt es plötzlich bei mir. Post kommt jetzt ja wohl keine mehr.
Meldet sich ein leicht zerstreuter Herr an der Gegensprechanlage, er hätte eine
Karte für mich. Ich mache ihm auf und gehe davon aus er wirft die jetzt in den
Briefkasten und haut wieder ab. Plötzlich geht das Licht im Treppenhaus an und
als nach einiger Zeit nur noch schwere Tritte und noch schwereres Schnaufen zu
hören sind, gehe ich ihm entgegen und treffe zwischen Etage zwei und drei auf einen
völlig erschöpften, wild mit einer gelben Karte wedelnden, älteren Herren. Wie
sich herausstellen sollte, war es ein großes Glück, dass er nicht bereits
zusammengebrochen war, denn dann wäre das langersehnte Paket vermutlich
endgültig verloren gewesen. Er sagt mir auf jeden Fall, dass bei Ihm, er trägt
den selben Nachnamen, ein Paket, wohl für mich, abgegeben wurde. Ich schaue ihn
mit fragendem Blick an, warum er dann, was zwar sehr freundlich ist, mir nur
die Karte bringt und nicht direkt das Paket. Und frage, ob ich ihn dann jetzt
direkt begleiten könne um die Sendung bei ihm abzuholen. Jetzt schaut er mich
an und sagt, er hat das Paket nicht, deutet dabei auf die Karte, murmelt etwas
von er wohne zwei Straßen weiter, dreht sich um und geht mit einem „schönen
guten Abend“ dahin. Ich bleibe etwas ratlos auf der Treppe zurück, bedanke mich
dennoch und wünsche ihm ebenfalls einen schönen Abend. Ich starre auf die Karte
und lese einen Firmenname und meine Adresse. Den Namen hab ich nie gehört, gehe
nach unten ans Klingelschild und schaue ob sich dort etwas finden lässt.
Nichts. Ich frage beim Imbiss nebenan, ob denen der Name auf der Karte
eventuelle etwas sagt. Auch nichts. Nochmal genau an Klingelschild und
Briefkästen geschaut. Der Name taucht da nicht auf. Also ab nach oben, an den
Laptop, mal googlen, erfolglos, scheint keine große Firma zu sein. Es bleibt
mir also nichts anderes übrig, als die Gegend nach dieser ominösen Firma, die
das Paket angenommen hatte, abzusuchen. Muss ja wohl in irgendeiner Straße
meines Viertels sein. Ich streife also im halbdunkel durch die Straßen von
Haustür zu Haustür und stoße tatsächlich irgendwann auf eine Zahnarztpraxis –
der auf der Karte vermerkte Name steht ganz klein auf dem Messingschild – und nachdem
ich auch den Namen des Kartenüberbringers am Klingelschild entdecke, wird mir
plötzlich alles klar. Postleitzahl, Name, Hausnummer … alles stimmte überein.
Nur bei der Straße hat es der Postbote nicht so genau genommen. Natürlich stand
ich um diese Uhrzeit auch vor verschlossenen Türen und so hatte ich keine
andere Wahl, als Tags darauf zum Zahnarzt zu gehen und mein Paket abzuholen,
wenn die gewusst hätten, was in dem Paket drin war. Der Paketzusteller hat sich
auf jeden Fall den Preis für außerordentliche Kreativität bei der Ausführung
seines Jobs verdient. Wieso das Paket für seine etwa 650 Kilometer lange Reise allerdings
eine Woche benötigt hat, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben.