Wir alle wissen ja, dass es irgendwo da draußen Menschen
gibt von denen man behauptet sie seien dumm wie Brot. Solche Erscheinungen kann
man zu Hauf im Vor- und Nachmittagsprogramm der privaten TV-Sender betrachten.
Aber das ist Fernsehen, das ist nicht die Realität und man kann sich zumindest
einreden, das wäre alles nur gespielt. Dennoch muss ich heute zu dem Schluss
kommen, es gibt sie wirklich, Menschen bei denen jeder Versuch ihnen etwas
beizubringen, begreiflich zu machen, Informationen zu vermitteln ins absolute
Nichts läuft. Aber diese Gestalten können ja nix dafür, dass sie so sind, wie
sie sind. Deswegen ist eindeutig der Schuld, der nicht in der Lage ist ihnen
dennoch etwas zu erklären. Ich gehöre seit heute dazu!
Und da ich nun ganz offiziell so jemanden kenne, stellen
sich mir genau drei Fragen: 1.) wie, verdammt noch mal, im Arsch ist unser
Bildungssystem, wenn so jemand es auch noch irgendwie zum Abitur geschafft hat?
2.) Merken diese Menschen eigentlich, dass sie in der Glockenkurve der
Gaußschen Normalverteilung im ziemlich flachen Wasser schwimmen? Und 3.) Was
macht man mit denen? Gedächtnis wie ein Sieb, nur die Löcher größer!
Meine Herausforderung besteht – nun schon seit einigen
Wochen – darin, der Jugend der Welt nahezubringen, was ich beruflich so tue und
was man alles so wissen könnte und idealerweise auch sollte, wenn man sich dazu
entschieden hat einen iwmM-Beruf (irgendwas-mit-Medien) zu ergreifen. Ich muss
zugeben, einem außenstehenden zu erklären, was ich beruflich genau mach‘, fällt
auch mir nicht immer ganz leicht. Der Einfachheit halber muss ich das daher
immer nur einem Menschenkind erklären, darf mir diese Aufgabe mit anderen
Teilen und es steht dafür ein Zeitraum von drei bis vier Monaten zur Verfügung.
Wie gesagt, dass ist für Neulinge wahrscheinlich nicht alles auf Anhieb leicht
zu durchschauen, aber jetzt auch keine geheime Wissenschaft, die man nicht
zumindest nach ein paar Wochen wenigstens grob überblicken kann. Vieles davon
ist simples Abarbeiten von einfachen Handgriffen, für die es auch zahlreiche
idiotensichere Anleitungen mit bunten Bildern und einfachen Texten gibt.
Einzige Voraussetzung dafür, eine minimal größere Aufmerksamkeitsspanne als
eine Fliege, die drei Mal in der Sekunde gegen eine Fensterscheibe fliegt und
sich absolut nicht daran erinnern kann, woher sie die Kopfschmerzen hat.
Zudem bin ich ein durchaus geduldiger Mensch und als ich –
recht frühzeitig – das geistige Potential der Anzulernenden erkannt hatte, war
ich gern bereit auch die einfachsten Schritte zwei/drei/viermal zu zeigen und
zu erklären, habe dieselben naiven Fragen mehrfach beantwortet und wollte die
Hoffnung partout nicht aufgeben, dass die Erleuchtung irgendwann eintritt. Bei
manchen fällt der Groschen halt Cent-weise. Immerhin suggerierte ein
regelmäßiges, fiependes „mhh-mhh“ plus Kopfnicken während der Erklärungen, dass
einzelne Schritte verstanden wurden. Wie sich herausstellte ein Irrglaube, denn
das „mhh-mhh“ bedeutete nicht „aha“ oder „ja“ oder „verstehe“, sondern es hieß
„ich bin noch hier und ich höre auch noch irgendwie zu, aber draußen scheint
die Sonne und der Mauszeiger … hihi“. Also eher ein akustischer
Totmann-Schalter, der alle paar Sekunden ertönt, damit man sicher gehen kann,
dass nicht zwischenzeitlich in den Standby-Modus geschaltet wurde.
Da sich Erklären nicht wirklich als die perfekte Methodik
herausgestellt hat um Informationen nachhaltig an das Stammhirn weiterzugeben,
schließlich gibt es ja die unterschiedlichsten Lerntypen, startete ich einen
neuen Versuch, Prinzip Problemlösung selbst erarbeiten. Relativ simple Aufgabe:
Erstellen, Aufzeichnen eines Produktionsprozess-Ablaufplans. Auf gut deutsch:
Malen Sie auf, welche Arbeitsschritte vom Anfang bis zum Ende durchzuführen
sind. Fünf Wochen lang wurde gezeigt, erklärt, gezeigt, erklärt, gezeigt,
erklärt, durfte selbst ausprobiert werden und wurde nochmal gezeigt und erklärt
was nach und nach und warum getan wird. Als kleine Hilfe gab es einen bereits
bestehenden Prozessplan (nicht mehr ganz 100%ig aktuelle, aber als Grundlage
eigentlich schon fast zu viel des Guten), die Produktionsanleitung und die
To-do-Liste.
Kennt ihr das, wenn man jemandem gegenübersteht, ihm etwas
erzählt, er freundlich lächelt, aber man sich dabei selber unsicher wird, ob
man nicht ausversehen plötzlich klingonisch spricht. So in etwa ist es mir
ergangen als ich die Aufgabenstellung erläuterte. Als ich dann zum Ende
sicherheitshalber nachfragte: „Aufgabe klar? Alles verstanden? Oder noch
Fragen?“ und als Antwort erhielt: „Nö, alles gut!“, ließ ich mich, nach einem
kurzen Stoßgebet, in meinen Bürostuhl sinken und hoffte das Beste. Gelegentlich
schaute ich über meinen Monitor hinweg, um zu sehen, ob sich da etwas
entwickelt, oder ob massive Fragezeichen im Raum schwebten. Als mich dann
irgendwann das Gefühl beschlich, es stockt etwas … das Verhalten erinnert mich
ein wenig an eine Katze, die wie hypnotisiert vor dem Aquarium sitz … wurde mir
auf Nachfrage ein erster Ansatz des Prozessablaufplans vorgelegt, woraufhin es
mir schwer fiel, die Contenance zu wahren und nicht loszuplärren: „Was soll’n
die Scheiße?“. Tief durchatmen. „Also die Aufgabe war etwas anders gedacht.“ –
in der Schule hätte es geheißen „Thema verfehlt“. Erklärungsversuch die Zweite:
„Also am besten, sie fangen am Anfang an
und überlegen sich, wie das Endprodukt aussieht und anschließend ergänzen sie,
welche Schritte von A bis Z notwendig sind. Ich zeig Ihnen das an einem
Beispiel“.
„Okay“. – „Ist jetzt klar, was sie tun sollen?“ – Es kommt
eine Nachfrage, die diese Frage klar mit nein beantwortet. In dem Moment
erinnere ich mich, dass ich kürzlich drei Lehrbücher in der Hand hielt „Skikurs
für Vorschulkinder“, „Skikurs für Grundschulkinder“, „Skikurs für Schulkinder“.
Und glücklicher Weise hatte ich auch darin geblättert und hatte somit direkt
einen neuen Lehransatz. Um das Niveau zu verdeutlichen, hier kurz die
Beispiele, wie den Ski-kids das Kurvenfahren erklärt wurde: Vorschulkind: „Du
bist ein Rennauto und fährst um die Fähnchen herum“; Grundschulkind: „Weißt du
wie sich eine Schlange bewegt? Du fährst wie eine Schlange um die Stangen
herum“; Schulkind: „Du fährst in einem gleichmäßigen Radius um die Torstangen
herum“.
Ich wollte kein unnötiges Risiko eingehen und wählte die
Vorschul-Variante. Ich erklärte die Aufgabenstellung also wie folgt: „Stellen
Sie sich vor, Sie sind das Manuskript, die Word-Datei. Aus Ihnen soll ein Buch
werden. Was passiert mit Ihnen, von dem Zeitpunkt wo Sie in den Verlag kommen,
bis Sie ein Buch sind?“.
Eine Stunde später, nachdem ich noch erfahren durfte, dass
sich diese Woche (es war Donnerstag) aber mächtig zieht, war der Akku
offensichtlich leer und die Erstellung des Ablaufplans wurde eigenständig auf
den nächsten Tag verlegt. Ich schaute etwas verwundert, als ich nach einer
kurzen Besprechung wieder in mein nun verwaistes Büro zurückkam. Aber ich
wollte doch zumindest noch wissen, wie weit die Aufgabe vorangeschritten war
und warf einen Blick auf den Schreibblock – eine fast leere Seite starrte mich
an. Ich blätterte vor und zurück. Nichts weiter aus der fast leeren Seite. Ganz
oben Stand nur ein Satz: „Ich bin die Word-Datei“.