Das merkwürdige Verhalten erholungsbedürftiger Großstädter zur Urlaubszeit.
Alles beginnt am Flughafen, wo sich irgendein kluger Kopf
von Air Berlin es für eine sensationelle Idee hielt, den Check-In für alle
Passagiere am Montagmorgen in einer Reihe auszutesten. Was in der Theorie
vielleicht nicht schlecht ist, aber in der Realität dummerweise am begrenzten
Platzangebot des Flughafenterminals nach kurzer Zeit zum Scheitern verurteilt
war. Ergebnis des Ganzen: zahlreiche Helferlein in Warnwesten schoben die Menschenschlange
in der Halle von rechts nach links und zurück, um im schönen Wechsel, auch nur ansatzweise,
Durchgangswege, Fluchtwege und Zugänge zu Toiletten, Cafés, Shops und den
Abfluggates frei zu halten, während die zweite Abfertigungshalle mit gähnender
Leere und einem Dutzend unbesetzter Schalter vor sich hin döste.
In der Warteschlange um mich herum Schweißausbrüche,
Panikattacken und diverseste Flüche. Zugegeben, auch ich empfand die Situation
jetzt nicht mega beglückend, aber Berlin und Flughäfen … naja man ist Kummer
gewohnt. Als ich dann etwa eine halbe Stunde vor Abflug noch immer ohne
Boardingpass, dafür mit Koffer in der Schlange stand, kam plötzlich der
Warnwestenträger mit Tablet, von dem ich ein paar Minuten zuvor gefragt wurde,
wann mein Flug geht, zu mir und ich durfte mich mit freundlicher Genehmigung
vordrängeln. Die mir zufliegenden Hasstiraden quittierte ich mit einem süffisanten
Lächeln. Da ich ganz offensichtlich noch nicht der letzte Passagier für meinen
Urlaubsflieger war, bekam ich sogar noch einen Fensterplatz und konnte
anschließend ohne unnütze Wartezeit schnurstracks durch Security-Check,
Duty-Free-Shop bis auf meinen Sitzplatz im Flieger durchlaufen.
Und so ein Urlaubsflieger mit deutschen Touristen auf den
Weg zum Strandurlaub ist … nennen wir es eindrucksvoll! Während die Dame neben
mir eine Parfümwolke aus Brennspiritus, Weihnachtsduftkerze und Wunderbäumchen umgab
und ich ehrlich froh war, dass an Board keine Feuerzeuge mehr erlaubt sind,
hatte der Herr vor mir offensichtlich Maggi No. 5 aufgetragen um den zu
befürchtenden Flugangstschweißgeruch zu überdecken. Ein eher entspannter
Flieger schien hinter mir zu sitzen, denn noch während sich Kapitän Michael
Schlotterbeck meldete, entledigte er sich seines Schuhwerks und untermalte das
ohnehin schon brisante Gasgemisch mit einer feinen Limburger Note. Eigentlich
der perfekte Moment für einen Praxistest der Sauerstoffmasken.
Als das Flugsicherheitsinformationsvideo abgespielt ist.
Macht der Ober-Flugbegleiter seinen letzten Kontrollgang und muss, wie jedes
Mal, warum auch immer, einige erneut darauf hinweisen, den Tisch hochzuklappen,
die Rückenlehne gerade zu stellen und die Jalousie vom Fenster wieder zu
öffnen, damit der Pilot beim Starten auch nach hinten rausschauen kann.
Kaum ist der Flieger in der Luft springen die ersten auf und
rennen auf die Toiletten. Parallel dazu werden Getränke und ein Snack vom
Flugbegleitpersonal gereicht. Ich hatte noch, da ich in der drittletzten Reihe
saß, die sensationelle Auswahl zwischen einer wabbeligen Laugenstange oder
einem quietschsüßen Rosinenbrötchen ähnlicher Konsistenz. Ich bestellte zwei
Getränke und entschied mich für die Laugenstange, die beim Verzehr im Mund mall
locker zu zwei Laugenstangen wurde, mich aber so zumindest die erste Hälfte des
Fluges gut beschäftigte. Der Rest war Lesen und Musik hören, doch während
andere im Flugzeug ihren Sitznachbarn – und da diese offensichtlich immer
schwerhörig sind, eigentlich dem halben Flugzeug – ihre gesamte
Lebensgeschichte erzählen, sind Flugzeuge für mich eher so etwas wie Aufzüge:
Da muss sich nicht unterhalten werden. Zum Glück hat das die Duftwolke, die
dann unerwarteter Weise tatsächlich im selben Hotel urlaubte, ebenso gesehen
und so lautete das vollständige Gesprächsprotokoll des knapp dreistündigen
Flugs: „Hallo. Der Platz am Fenster ist meiner. – Schönen Urlaub!“
Am eindrucksvollsten sind aber immer noch die Szenen kurz
nach der Landung. Nachdem der Pilot endlich die richtige Urlaubsinsel gefunden hatte
– er hatte vermutlich die Cockpitfenster verschlossen, was auch seinen
Wetterbericht (23°C und Gewitter erklärt) –, das Flugzeug geradeso mit den
Hinterrädern die Landebahn berührt hatte und die Durchsage „bitte, noch
sitzenbleiben“ ertönte, klickten die ersten Sicherheitsgurte und die ersten
Ungeduldigen sprangen auf. Und ja, es gibt sie noch, die Landungsklatscher. Das
würde ich mir übrigens auch mal wünschen, dass wenn ich meinen Job erledigt
hab, alle Kunden in mein Büro kommen und applaudieren …
In der Sekunde, als das Flugzeug dann tatsächlich seine
endgültige Parkposition erreicht hat, drängeln sich 90 Prozent der Passagiere
in Richtung der Türen. Allen voran, eine Frau größeren Gewichts, deren
Hauptproblem nun ist, ob auch am hinteren Ausgang die Airline-Schoko-Herzen
verteilt werden und ob sie nicht gleich für ihre gesamte Sitzreihe die Süßigkeiten
mitnehmen solle. Glücklicher Weise, gibt es auch hinten die roten Treueherzen,
bei 26°C Außentemperatur und strahlend blauem Himmel, und sie muss nicht einmal
komplett durch das ganze Flugzeug nach vorn stürmen um den schokoladenen
Meilenbonus abzugreifen. Nachdem alle gehetzten im Flughafenbus auf mich und
das Personal gewartet haben, geht’s zum Terminal, wo erneut die Hektiker zum
Kofferband vorpreschen, um den besten Platz am selbigen, natürlich noch
stillstehenden, zu ergattern.
Demnächst dann: Weiße Socken in Sandalen! Woran erkennt man
den deutschen Touri? Und die Zerstörung des Urlaubseffekts in drei Schritten!