Montag, 24. Juni 2013

#Neuland

Uii, da hat es unsere Kanzlerin doch tatsächlich noch vor der bevorstehenden Bundestagswahl geschafft einen Shitstorm gegen sich heraufzubeschwören. Und alles mit nur einem kleinen Satz: "Das Internet ist für uns alle Neuland." Aber lag Sie mit dieser Aussage wirklich so sehr daneben? Denn sind nicht schon allein die kindischen Reaktionen der Netzgemeinde im Grunde bestes Indiz für die brutale Wahrheit, die in diesen nun schon fast legendären Worten steckt? 
Jetzt ist es natürlich nicht von der Hand zu weisen, dass das Internet an sich nichts wirklich Neues mehr ist. Ganz im Gegenteil. Seit der Online-Stellung der ersten Seite durch Tim Berners-Lee 1989 ist fast ein viertel Jahrhundert vergangen. Und wir alle nutzen es, seit mehr als zehn Jahren, Tag für Tag immer intensiver. Wenn wir ehrlich sind, können wir uns kaum noch daran erinnern, wie wir uns damals so ganz ohne WWW durch die Welt geschlagen haben... kleiner Tipp: Stadtplan, Lexikon, Gelbe Seiten - alles Begriffe die schon fast der Vergangenheit angehören. Und weil wir alle immer bequemer werden und uns nichts mehr merken können oder wollen, tragen wir unser Internet heutzutage ständig griffbereit mit uns herum. Keine Frage, wir haben inzwischen gelernt das Netz für uns zu nutzen, aber können wir auch wirklich schon damit umgehen? Dazu muss man eigentlich nur einen kurzen Blick in dieses ominöse Neuland werfen und die Frage beantwortet sich von selbst. Werfen wir mal einen ersten Blick auf das Rechercheverhalten der meisten. Das sieht doch wie folgt aus: Frage - Google - Wikipedia - fertig - keine Nachfrage. Wenn Wikipedia, was sich inzwischen in vielen Fällen tatsächlich schon zu einer relativ verlässlichen Quelle entwickelt hat, keinen Treffer hervorbringt, wird stattdessen halt der erste von der Suchmaschine vorgeschlagenen Link gewählt und die daraus hervorgehende Antwort gedankenlos hingenommen. Das im Netz aber jeder schreiben kann, was er will - im Grunde genauso wie ich hier - wird gnadenlos ignoriert. Dabei sollten wir uns aber nicht zu sehr darauf verlassen, dass sich jeder Schreiber an das achte Gebot - Du sollst nicht lügen - hält, sondern besser immer den Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte - Meinungsfreiheit - im Hinterkopf haben. Womit wir schon direkt beim zweiten Punkt wären. Hierzu werfen wir ganz bewusst nur einen kurzen Blick auf die verschiedenen Kommentarfunktionen im Netz, zum Beispiel auf die Seiten der sogenannten Nachrichtenanbieter Stern, Spiegel, Focus, Welt, Bild, Kicker, usw. Denn einige Schreiber übersehen irgendwie, bei dem was sie dort so von sich geben, dass der Artikel 5 des Grundgesetzes auch noch einen zweiten Absatz hat, der die Meinungsfreiheit etwas reguliert. Überhaupt nicht mehr aus dem Kopfschütteln raus kommt man, wenn man Diskussionen und Kommentare in den sogenannten "sozialen" Netzwerken liest. Da ist dann doch oft eher die englische Begrifflichkeit "asocial Network" zutreffend. Mal abgesehen von Niveaulosigkeiten, die sich ja noch mit überschaubarem Intellekt begründen lassen, ist die Masse an Beschimpfungen und Beleidigungen einfach unglaublich. Im echten Leben gäbe es für so etwas einfach nur auf die Fresse. Im Netz müssen wir das mehr oder weniger hinnehmen und für unser eigenes Wohlbefinden besser drüber stehen. Meinungsfreiheit heißt, man darf, nicht man muss, zu allem etwas sagen!
Kommen wir nun noch schnell direkt zu Facebook. Irgendwie haben es Zuckerberg und Co. geschafft, die exhibitionistische Ader tief in unserem Innersten zu wecken und viele von uns dazu gebracht, unser ganzes Leben für alle Welt offen zu legen. Für die Erstellung solcher Profile musste sich die Stasi früher ziemlich ins Zeug legen und Tagebücher lagen angeblich auch recht selten so offen herum. Aber im Endeffekt kann ja jeder für sich entscheiden, was er dort veröffentlicht. Nur vorher nachdenken hilft halt manchmal. Sascha Lobo hat kürzlich zum Thema Netzwerke sinngemäß gesagt: Netzwerke sind etwas Tolles und sinnvolles, wenn sich die richtigen Menschen vernetzen. Vernetzen sich die Falschen, ist es nutzlos.
Also ihr Shitstormer und #Neuland-Spötter, wenn ihr jetzt mal kurz in euch geht, ... müsst ihr vielleicht einsehen, für uns alle, auch für euch, "ist das Internet jeden Tag Neuland - zum Glück" (nochmal Sascha Lobo) und da es so viele Möglichkeiten bietet und sich wahnsinnig rasant entwickelt, schreit es förmlich nach klaren Regeln und deren Einhaltung. Das bedeutet natürlich nicht, dass alle User unter Generalverdacht gestellt und alles überwacht werden darf, weder durch irgendwelche Staaten noch durch Onlinedienst-Anbieter, noch durch sonst irgendwen. Was privat ist, hat gefälligst auch privat zu bleiben. Denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es jemandem wirklich egal ist, wenn er von vorn bis hinten ausspioniert, oder dauerhaft diffamiert wird. Und vielleicht wäre es ganz hilfreich, liebe Politik, nun endlich mal zu handeln und dabei nicht Edward Snowden zum Sündenbock zu machen, sondern eher die von ihm Angeprangerten. Eventuell sollte man auch langsam davon Abstand nehmen das Internet - von politischer Seite her - weiterhin so konsequent konservativ-merkelesk zu verteufeln und als Bedrohung zu sehen. Zum Beweis (und der Vollständigkeit halber) hier noch der komplette Satz der Kanzlerin: "Das Internet ist für uns alle Neuland und es ermöglicht auch Feinden und Gegnern unserer demokratischen Grundordnung [aktuell kommen uns da u.a. USA, Großbritannien in den Sinn], natürlich mit völlig neuen Möglichkeiten und völlig neuen Herangehensweisen, unsere Art zu leben in Gefahr zu bringen."
Bleibt uns nun also erst mal nur die Hoffnung, dass die Politik tatsächlich in der Lage ist, das Netz im Sinne der Nutzer zu schützen. Allerdings ist es ein wenig fraglich, ob ausgerechnet die dafür Verantwortlichen aus der Generation Ü55, in jeglicher Hinsicht, die richtigen Köpfe dafür sind. Die Verweigerungshaltung einiger dieser Herrschaften sollte uns Nutzern diesbezüglich genug Aufforderung zu erhöhter Wachsamkeit sein!

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