Sonntag, 19. Mai 2013

Festival des fragwürdigen Geschmacks

Am vergangenen Samstag war es wieder soweit. Das größte, bunteste, schrillste, aber irgendwie auch schrecklich schönste und vor allem in allen Belangen übertriebenste Musikfest der Welt glitzerte über die Bühne. Diesmal in Schweden, Malmö. Dank der vor einem Jahr in Baku entfachten Euphoria. 
Doch wo dieser Songcontest stattfindet spielt im Grunde nur eine untergeordnete Rolle, denn die Show folgt den immer gleichen Mustern: viel Glitzer, jede Menge Pyro, Epilepsie fördernde Lasershows, weder zur Musik, noch zum Text und nur selten zum Land passender Friss-oder-stirb Choreographien. Zum Glück ist die Zahl derer, die sich gleichzeitig auf der Bühne bewegen dürfen, vor geraumer Zeit mal auf sieben begrenzt worden - in der Regel immernoch fünf bis sechs zu viel. Das Highlight sind allerdings - interessanter Weise durchgängig durch alle Nationen - die Auswahl der Kostüme, oder sollte ich besser sagen Kostümierungen. Uns Peter Urban, Deutschlands langjähriger und einzigster ESC-Kommentator beschrieb es nicht ganz unpassend mit den Worten: "das sieht aus als sei der Starlight Express durch eine Konditorei gerauscht". Schade, dass es für ihn nur zu einem Satz sarkastisch-zynischer Sprüche gereicht hat und er die selben Gags im Halbfinale und im eigentlichen Finale verwenden musste. Naja es ist halt Finanzkrise und man spart wo man kann. Davon oder von Repressalien nicht ganz lupenreiner Demokratien, oder sonstiger innen- und außenpolitischer Probleme bleibt man aber sonst auf schmerzhafte Art und Weise verschont. Heile Welt wie auf dem Parallelsender beim Frühlingsfest der Volksmusik präsentiert von Florian Silbereisen. Wie passend dass der dann auch in der deutschen Jury sitzt. Deutschland verteilt seine zwölf Punkte,  twelve points, deuce points an den stimmlich eher schwachen Auftritt des irgendwie ganz süßen, aber noch etwas unreifen Hipsters aus Ungarn. 
Die Punkte übermittelt die noch viel süßere Lena, die sich als einzige von 39 auch prompt einwandfrei verhaspelt und Norwegen und Dänemark verwechselt. Glücklicherweise hypnotisiert das psychedeliche Muster ihrer Oberbekleidung so stark, dass man am Ende des Tripps ohnehin nicht mehr weiß, was Wirklichkeit und was Einbildung war.
Die Jury: vier junge Musiker und -innen Mitte zwanzig bis Mitte dreißig und besagter Herr Silbereisen, die - ebenso wie ich - wohl eher nicht zur Zielgruppe der dargebotenen musikalischen Werke zählen, dafür aber fünfzig Prozent des nationalen Endergebnisses ausmachen. Immerhin wurde die Jury im Vergleich zum Vorentscheid etwas verändert, denn damals hatte das Expertenkomitee das recht eindeutige Zuschauervoting derart verfälscht und dadurch dafür gesorgt, dass man in diesem Jahr ganz Glorious mit dem Gewinnertitel des Vorjahres antritt. Völlig unerwartet und unerklärlich reicht es dann am Ende zu spektakulären 18 Punkten und einem hervorragenden einundzwanzigsten Platz (und die Sängerin/Band konnte wirklich nix dafür). Immerhin einen Platz besser als meine optimistischste Prognose. Schuld ist den Medien zufolge schließlich die unpopuläre Finanzpolitik unserer Kanzlerin. Nicht etwa der fehlende Mut, ähnlich wie die völlig pleiten Griechen, mit einer originellen, Klischees bedienenden Skaband anzutreten und zumindest wieder im einstelligen Bereich zu landen. Da Ralf Siegel bei seinem 21. Versuch aber mal wieder im Halbfinale hängen geblieben ist, bleibt wohl doch nur die Alternative Raab.
Mir persönlich ist das deutsche Abschneiden ehrlich gesagt herzlich Schnuppe, denn musiktechnisch bewege ich mich in anderen Regionen. Nichtsdestotrotz mag ich die ganze Veranstaltung! Einfach weil sie mich belustigt und unterhält und eine fantastische Mischung aus übertriebener Ernsthaftigkeit und einer gesunden Portion Selbstironie bietet. Achja gewonnen hat schlussendlich, ziemlich unangefochten, der von einer zierlichen, feenhaften, unschuldigen, blondgelockten Emmelie vorgetragene, schon fast unanständig ohrwurmige Song aus Dänemark, der auch im Vorfeld bereits als Favorit gehandelt wurde. Knapp dahinter landeten ein schmalziges Popsängerchen aus Aserbaidschan und eine vermutlich überwiegend nach optischen Kriterien ausgewählte Sängerin aus der Ukraine... wir lernen daraus: Erfolg IST planbar!

1 Kommentar:

  1. Interessant ist, dass das Ergebniss grundsätzlich sehr konträr zu meiner Prognose ausgegangen ist. Zwar hatte auch ich Dänemark und Ukraine und Asebaidschan recht weit vorn aber "Merry me" oder "Ich habe es vergessen" eben auch ;() Schöne, unterhaltende Show, mit dem Tiefgang eines Schlauchbootes! *gefälltmir*

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