Sonntag, 26. Mai 2013

Spiel der Spiele

oder die gespaltene Nation

Wieder Samstag Abend und das nächste gigantische Medienspektakel. Diesmal ging es aber nicht um so etwas banales wie Musik, diesmal ging es um viel mehr! Es ging um Alles (mindestens)! Ein Art Glaubenskrieg um Leben und Tod zumindest in den Augen einer grenzwertig Bekloppter. Es ging um Fußball - es war Champions League Finale im Stadion zu Wembley. Und zum 150-jährigen Jubiläum des englischen Fußballverbandes hat man sich in das Mutterland des Fußballs zwei Teams aus dem Vaterland des Fußballs eingeladen. Eine überaus nette Geste. Die Ansetzung lautete also BVB gegen FCB, Borussia gegen Bayern, Herz gegen Kalkül, schwarzgelb gegen Schwarzgeld. Wie auch immer... Da ich mich nach dem Spiel allerdings in dieser Sache beim besten Willen nicht ansatzweise objektiv hätte äußern können, wenn ich mich überhaupt noch hätte äußern wollen, gestehe ich hiermit, dass ich große Teile dieses Textes schon vorab geschrieben hatte. Macht aber nix, denn seit dem Abpfiff der Halbfinals ging es tagtäglich um nichts anderes als dieses eine Spiel. Mehr als zwanzig Tage lang! 
Und jeden Tag gab es die spektakulärsten Neuigkeiten. Jeden Tag wurde von einem der Vereine ein Spieler für gigantische Millionenbeträge gekauft oder verkauft. Zählte man alles zusammen würden in der kommenden Saison die Hälfte der Dortmunder Spieler beim Finalgegner spielen, die andere Hälfte bei den beiden spanischen Topclubs und der Trainer wäre bei Manchester United gelandet. Doch Stand heute muss man feststellen: nahezu alles heiße Luft. Nichtsdestotrotz wurde man - egal ob Fußballfan oder nicht - hemmungslos auf allen Kanälen mit sämtlichen Details und Infos zugedröhnt. Rund um die Uhr wurde alles im Vorhinein analysiert und zerpflückt von der Körbchengröße der Spielerfrauen bis zu den Frisuren der Trainer. Das führte dazu, dass man schließlich fast den Eindruck gewinnen konnte, dass Spiel müsste gar nicht mehr gespielt werden - es war quasi schon vorher entschieden. Einen nicht unerheblichen Beitrag leisteten dazu die Mentalitäten (oder Klischees) der beiden Vereine und jeweiligen Fans, sowie die kaum spürbare Tendenz zu einem der Teams der Sky- und Sport1-Experten, einer nur bei einem Bayern-Sieg mit freundlichem Gesicht moderierenden Katrin Müller-Hohenstein und nicht zuletzt der Berichterstattung einer großen Meinungsbildenden Tageszeitung in Deutschland. 
Unabhängig davon ging es selbst mir als durchaus Fußballverrücktem ehrlich gesagt am Ende ziemlich auf den Zeiger, dass jeder der das Wort "Fußball" auch nur halbwegs geradeaus sagen konnte oder mal gegen so ein runde Leder getreten hatte, zum Experten hochstilisiert wurde und seine Weisheiten freiwillig oder unter Zwang von sich geben musste. Und jedes dieser Worte wurde anschließend noch auf die Goldwaage gelegt. Im Besonderen die beiderseitigen Kampfansagen der Vertreter der Protagonisten. Zu allem Überfluss stilisierten die diversen Medienapparate das übliche Säbelrasseln dann noch mit ganz viel Fingerspitzengefühl bis zum Hassgipfel hoch. Auch wenn Vorfreude sprichwörtlich die schönste Freude sein soll, war ich dann irgendwie doch froh als es endlich los gehen sollte. Apropos Säbelrasseln... was hatten sich die Engländer eigentlich bei der Vorprogramm-Choreographie gedacht. Zwei große Horden schwarzgelber und rotweißer Spring-ins-Felds in Ritterrüstungen führten eine Art Schlachtfest auf dem heiligen Rasen auf - natürlich ohne Sieger. Zur Krönung musste dann ein in eine viel zu enge Rüstung gequetschter Paul Breitner, mit einem Gesichtsausdruck als hätte man ihm die Kronjuwelen im Scharnier eingeklemmt, gemeinsam mit Lars Ricken in Offiziersuniform (Glück gehabt) und breitem Grinsen ob des Aufzugs seiner Begleitperson, den begehrten Henkeltopf ins Stadion tragen. Verbuchen wir es einfach mal als den berühmten englischen schwarzen Humor. 
Dann wurde aber endlich Fußball gespielt! Und es war ein großartiges Spiel, mit vielen Torchancen auf beiden Seiten, zwei glänzend aufgelegten Torhütern und diversen Nickeligkeiten. Am Ende gewinnt dann nach neunzig Minuten doch der Favorit und auch nicht gänzlich unverdient. Allerdings fällt der Sieg - für viele unerwartet - knapp und auch etwas glücklich aus, denn wie immer hätte auch der Schiedsrichter das Spiel entscheiden können, wollte er aber scheinbar nicht... Ist vielleicht auch gut so. Daher geht der Glückwunsch an die Spieler und den Trainer des FC Bayern München und dicker Applaus und großer Respekt an den mehr als würdigen Finalgegner Borussia Dortmund. Jetzt müssen wir uns nur noch ein paar Tage lang die ultimative Lobhudelei auf den Champions-League-Sieger und intensive Auswertungen der einzelnen Spielszenen in Superslowmotion und 3D-Animation anhören und sehen, bevor wir uns dann glücklicher Weise dem DFB-Pokalfinale, der Nationalmannschaft, dem Confed-Cup, der U21-EM und dann der Vorbereitung auf die kommende Saison widmen können. Herrlich! 

Noch eine kurze Nachfrage: Welche unpopulären politischen Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen wurden eigentlich in den letzten Tagen vorm Finale getroffen? Welche ernsthaften Probleme und Katastrophen wurden ignoriert? Und welche wirtschaftlichen und politischen Skandale wurden denn so vertuscht? 

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