Mittwoch, 29. Mai 2013

Everest for everyone

View to the top of the world

Es steht außer Frage, sie etwas magisches, Chomolungma, die Muttergöttin der Erde. So zumindest wird sie von den Sherpas genannt, doch besser bekannt ist dieser Berg, dank eines britischen Landvermessers, als der Mount Everest. Achttausendachthundertfünfzig Meter pure Faszination. Vor genau sechzig Jahren gelang dem Neuseeländer Sir Edmund Hillary, gemeinsam mit dem Sherpa Tenzing Norgay, am 29. Mai 1953 die Erstbesteigung des höchsten Punktes der Erde. Und seit jeher ist das Dach der Welt, gerne auch als der "dritte Pol" bezeichnet, Anziehungspunkt für Bergsteiger, Abenteurer und sonstige Verrückte, also auch mich. Jetzt habe ich persönlich zwar noch nicht oben gestanden und werde es vermutlich auch nie, denn ehrlich gesagt wäre mir das dann doch zu anstrengend. Aber ich bin ihm schon verdammt nahe gekommen, befand mich sozusagen auf Augenhöhe mit dem Gipfel - das ist jetzt der Punkt an dem ihr kurz neidisch sein könnt! - und diesen Augenblick werde ich sicher auch niemals vergessen. 


Doch weil ich diese Schönheit genießen durfte, oder auch gerade deswegen, bin ich von den aktuellen Berichten rund um den Everest massivst verstört. Man liest von "Stau", "Prügelei", "Aufstieg über Leichen", "Massentourismus". Das hat mit Bergsteigen, mit Exklusivität, mit außergewöhnlicher Leistung nichts mehr zu tun. Diese Meinung vertreten auch echte Alpinisten, wie der wohl bekannteste, Reinhold Messner, der Anfang Mai 1978, zusammen mit Peter Habeler, als erster den Berg gänzlich ohne künstlichen Sauerstoff erklomm. Eine Meisterleistung die bis heute nur weniger als 200 Menschen überhaupt vollbracht haben. Dabei erwartet man alleine in diesem Jubiläumsjahr circa 600 Gipfelstürmer, ein gigantische Zahl, wenn man sich überlegt, dass es pro Saison nur etwa fünf bis zehn Tage gibt, an denen ein Aufstieg bis zum Gipfel überhaupt möglich ist. Das es dann trotz perfekter Bedingungen, bestens vorbereiteter Infrastruktur und Rund-um-sorglos-Paket der Expeditionsanbieter zu Staus auf der Autobahn zum Dach der Welt kommt, kann man sich dann schon recht gut vorstellen. Aber ist DAS dann noch etwas Besonderes, Einzigartiges?
Bis 2012 sind nun bereits mehr als 6200 Gipfelerfolge verbucht, bis 1998 waren es nur knapp über 1000. In den fünf Folgejahren wurde die Zahl etwa verdoppelt, in den nächsten fünf Jahren bis 2008 erneut und in den letzten vier Jahren sind weitere 2000 Menschen bis auf die Spitze gelangt. Das klingt jetzt natürlich fast so, als wäre es auch nicht die allergrößte Herausforderung die 8850 Meter zu erklimmen - und aus bergsteigerischer Sicht stimmt das wohl auch - aber die meisten derer, die heutzutage den Everest bezwingen wollen, ignorieren scheinbar die tatsächlich Gefahr der Todeszone (ab etwa 8000 Metern Höhe) und riskieren, unter dem Gefühl der Sicherheit der Masse, ihr eigenes Leben und damit auch das der anderen. So muss man fast sagen, das "zum Glück" Jahr für Jahr einige dem Berg zum Opfer fallen und damit vielleicht auch die Vernunft bei einigen zurückkehrt. Die Zahl der tödlich Verunglückten hat inzwischen die 200 überschritten und einige Leichen werden wohl für immer am Everest zurückbleiben.

Quelle: http://blogs.dw.de/abenteuersport
 
Doch nicht nur die Todesopfer bleiben häufig am Berg zurück, viel dramatischer ist der gigantische Müllberg, der sich inzwischen angesammelt hat. Schätzungen zu folge, ist die höchste Müllkippe der Welt bereits 600 Tonnen schwer. Alte Zelte, Sauerstoffflaschen, Medikamente, Essensreste und Verpackungen bleiben in schöner Regelmäßigkeit zurück. Glücklicher Weise gibt es in den letzten Jahren in diesem Punkt ein leichtes Umdenken. So wurde unter anderem von der nepalesischen Regierung eine Art Müllpfand eingeführt, der nur zurückerstattet wird, wenn aller Müll wieder ins Tal geschleppt wurde. Außerdem werden immer häufiger so genannte Säuberungs-Treks organisiert, bei denen Gruppen losziehen, um Müll in den Basiscamps zu sammeln und zum recyclen ins Tal zu schaffen. Sehr vorbildlich und lobenswert! Doch was den Massenansturm auf den Everest und das Basiscamp auf 5400 Metern angeht befindet man sich ziemlich massiv in der Zwickmühle. Zwar ist die Anzahl der Permits die Nepal jährlich für die Bergbesteigung vergibt, inzwischen auf 450 Stück begrenzt und so eine Erlaubnis kostet immerhin stolze 10.000 $, doch hat sich inzwischen natürlich auch ein ganzer Industriezweig rund um den Everest entwickelt. Und da Geld für die Bergsteiger, die etwa 75.000 $ für eine Expedition auf das Dach der Welt ausgeben, scheinbar keine Rolle spielt, für Nepal, eines der ärmsten Länder der Welt, jedoch schon, fällt es natürlich schwer, an dieser Stelle auf mögliche Einnahmen zu verzichten. Immerhin ist der Tourismus eine der größten Einnahmequellen dieses wunderbaren Landes. Und ja, einige der Sherpas, die für die Everesttouris das ganze Zeug schleppen, den Weg nach oben präparieren und ihr Leben auf's Spiel setzen, um Übermütigen ihren Traum zu erfüllen, verdienen gutes Geld mit ihrem Job. Aber sie sind nicht eure Sklaven! 
Ich kann nur jedem raten dieses tolle Land selbst zu bereisen, seine Kultur(en) zu entdecken, die atemberaubende Natur zu genießen und die verdammt freundlichen Menschen kennen zu lernen. Und nehmt auch die Hilfe der Sherpas an, wenn ihr auf Tour geht, redet mit ihnen, spielt mit ihnen Fußball. Aber überlegt euch bitte vorher, ob ihr wirklich eine Espressomaschine mitnehmen müsst. Und rammelt nicht alle nur zum Mount Everest, es schafft eh nur jeder fünfte nach ganz oben. Und ihr werdet vermutlich weder der Jüngste, der Älteste oder der erste Blinde, Bein- oder Armamputierte auf dem Gipfel sein (hat es alles schon gegeben), also schafft ihr es auch nicht in die Zeitung, maximal als Beitrag mit schwarzem Rahmen... und ist es das wirklich wert?

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